Trier Ein Fabelrekord vom Wahnsinns-„Hänfling“

Trier · Der Franzose Kevin Mayer bringt die Konkurrenz ins Schwärmen. Dabei ist er ein ganz anderer Typ als einst Hingsen & Co.

 Da steht die „9“: Der Franzose Kevin Mayer bejubelt seinen Zehnkampf-Weltrekord. Mit 9126 Punkten überbot er den alten Rekord deutlich.

Da steht die „9“: Der Franzose Kevin Mayer bejubelt seinen Zehnkampf-Weltrekord. Mit 9126 Punkten überbot er den alten Rekord deutlich.

Foto: picture alliance/dpa/@ffathletisme

Der Fabel-Weltrekordler hat familiäre Wurzeln in der Großregion. In Farschviller, Lothringen. Direkt an der deutschen Grenze. Kevin Mayer (26) ist dennoch nicht unbedingt ein Name, bei dem jeder Sport­interessierte sofort „ah, der Zehnkampf-Gigant“ ruft. Verdient hätte er es zweifellos. Im September 2018 hat der Franzose als überhaupt erst dritter Zehnkämpfer in der Historie die 9000er-Marke genommen. Mayer hat mit 9126 Punkten den bisherigen Weltrekord von Ashton Eaton (9045) regelrecht in alle Einzelteile zerlegt.

Wenige Wochen zuvor hatte Mayer bei der Europameisterschaft noch eine bittere Niederlage hinnehmen müssen – zum Glück für Arthur Abele (32) aus Mutlangen, der überraschend den Titel holte. In Berlin war für Mayer bereits nach der zweiten Disziplin Feierabend. Drei Mal übergetreten beim Weitsprung, das war’s für den Mann, dessen neue Bestmarke über 500 Punkte über der von Abele liegt. Bei seinem Weltrekord in Talence lag er gar 816 Punkte vor Abele – und der war Zweitplatzierter!

Jürgen Hingsen, der vor 30 Jahre seine Karriere beendet hat, wäre mit seiner Bestmarke von 8832 Punkten noch heute ein heißer Titelanwärter. Aber der Zehnkämpfer-Typus habe sich geändert, sagt er. „Wenn Sie Kevin Mayer sehen, denken Sie: Das ist ein mehrkämpfender 1500-Meter-Läufer. Er ist eher schmächtig, nicht so groß und muskelbepackt, aber er ist unglaublich schnellkräftig. Mayer läuft die 100 Meter in 10.55 Sekunden, springt fast acht Meter weit und 5,45 Meter hoch – und kann sogar den Diskus über 50 Meter werfen, obwohl er so ein Hänfling ist. Da läuft alles über Schnelligkeit und Spritzigkeit. Die Trainingsformen haben sich geändert.“ Für Hingsen war Krafttraining noch zentraler Bestandteil. „Wir haben noch zwei, drei Mal die Woche bis zu 20 Tonnen in einer Einheit gehoben. Aber zu viel Muskeln bedeuten auch Unbeweglichkeit.“

Das mit dem „Hänfling“ Mayer mag man in Relation sehen – aus Sicht eines 2,03-Manns mit 105 Kilogramm Wettkampfgewicht, wie es bei Hingsen der Fall war, trifft es sicher zu. Mayer ist erst der dritte Allrounder nach Eaton und Roman Sebrle aus Tschechien, der die 9000-Punkte-Marke knackte. Auch Abele hatte größten Respekt vor der Leistung. „Diese Leistung von Kevin war unglaublich, einfach brutal. Er ist ein Wahnsinnstyp und hat in jeder Disziplin performt, von A bis Z“, schwärmte der Europameister nach Mayers Weltrekord. „Ich kann mir schwer vorstellen, dass er diese Punktzahl noch einmal übertreffen kann.“

Warum Zehnkampf gerne die „Königsdisziplin“ in der Leichtathletik genannt wird? Hingsen weiß, warum. „Es wird so viel gefordert – Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Koordination, dazu insgesamt rund 250 Bewegungsabläufe – das alles zusammen zu kriegen und in jeder Disziplin im Rahmen von 95 Prozent der Bestleistung zu bleiben, das ist schon eine Kunst.“

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