Trier Sie nennen ihn Charly

Trier · TV-Serie Nachspielzeit: Der Mann, den unter seinem richtigen Vornamen (fast) niemand kennt, ist auch als Mitt-siebziger immer noch dem runden Ball erlegen:  Der „ewige Torwart“  Karl-Heinz „Charly“ Schröder.

 Früher und heute: „Charly“ Schröder klärt im Flug vor dem Lauterer Reiner Geye in einem Pokalspiel der Eintracht gegen den 1. FC Kaiserslautern (linkes Bild). Die rechte Aufnahme zeigt Schröder am Mattheiser Weiher im Trierer Süden.

Früher und heute: „Charly“ Schröder klärt im Flug vor dem Lauterer Reiner Geye in einem Pokalspiel der Eintracht gegen den 1. FC Kaiserslautern (linkes Bild). Die rechte Aufnahme zeigt Schröder am Mattheiser Weiher im Trierer Süden.

Foto: Jürgen Braun/Picasa

Dieser Ort hat etwas Anheimelndes, etwas Beruhigendes, ist eine Art Oase mitten in der Stadt. Oder zumindest nicht weit davon entfernt. Wer etwas Ruhe und Besinnung bei sich selbst  sucht in der Hektik des Alltags, wer – wenn auch nur für ein paar Minuten – einmal raus will aus der Tretmühle des Alltags, der ist hier oben richtig.

Das von einschmeichelndem urbanen Grün eingerahmte kleine Wasser  im Trierer Süden, das die Einheimischen liebevoll „unsen Mattheiser Weiher“ nennen,  ist Refugium  und Treffpunkt Gleichgesinnter zugleich. Wer hier korrespondiert, tut es zuweilen eher mit sich selbst als mit seiner Umwelt.

Und doch wollen wir an diesem herrlichen,  sonnenüberfluteten  Tag, der irgendwo im Niemandsland zwischen letzten Eisblumen an den Fenstern und ersten Krokussen so einschmeichelnd  sein zeitlich begrenztes Dasein fristet, nicht mit uns selbst sein. Wir möchten auf Zeitreise gehen. Mit einem Mann, den jeder ein wenig sportaffine Mensch in dieser Stadt kennt. Wenngleich auch kaum einer unter seinem richtigen, bürgerlichen Namen.

Einen Schwung alter Bilder, jede Menge Erinnerungen und viel Neugierde haben wir dazu auf einer  Parkbank neben den aufgeregt schnatternden Enten für unseren Plausch im Gepäck.

Karl-Heinz wer? Schröder? Kennt – mit Verlaub gesagt – „keine Sau“ im Trierer Fußball-Jargon. Den Charly gleichen Nachnamens aber kennen sie fast alle. Zumindest die, die die Geschichte der Eintracht über Jahre und Jahrzehnte hinweg verfolgt haben. Vielleicht sogar ein Teil ihrer waren. Für die war dieser Mann zwischen den Pfosten Aufstiegsheld zur zweiten Liga  (1976), war Identifikationsfigur, Sportsmann und vom Spiel mit dem runden Leder positiv Besessener durch und durch. Nicht nur beim schwarz-blauen Trierer Traditionsverein, sondern auch beim Oberligisten SV Leiwen und später als Trainer in Luxemburg und vielen Vereinen der Region.

Schröder,  leger modisch in lederner Bomberjacke und  passendem Schal-Accessoire gekleidet,  ist in prächtiger Stimmung: „Es geht wieder aufwärts, ich kann wieder trainieren.“ Vor zwei Jahren links die Hüfte, im vergangenen Jahr rechts ein neues Knie“, erzählt er. Sonst noch was an Operationen?  „Nein.“ Und noch einmal mit Nachdruck:  „Ich kann wieder trainieren.“ Eine Mitteilung, die aus seinem Mund wie ein in die Welt hinausposauntes Halleluja aus einer Bach-Kantate klingt.  Bald geht die „Ü-50-Runde“ wieder los. Mit Charly Schröder im Team der Eintracht.

Kriegsjahrgang ist er, ein 44er. Hat, nachdem ihn der damalige Trierer Bürgermeister Paul Kreutzer von der Neunkircher Borussia an die Mosel gelockt und ihm eine neue berufliche Perspektive verschafft hatte, unzählige Kicker kommen und gehen gesehen an dem Ort, der seine neue Heimat werden sollte. Charly aber blieb.

Dass Schröder, gelernter Maler, seine neue Aufgabe als Erzieher über Jahre und Jahrzehnte hinweg mit dem gleichen Engagement, dem gleichen Verantwortungsbewusstsein ausübte, zeichnete ihn stets aus. „Ich war nie Vollprofi, wollte eine berufliche Absicherung.“ Und die Arbeit mit Menschen mit Behinderung abseits des Fußballplatzes war ihm Beruf und Berufung zugleich.

 „Ich wollte etwas weitergeben, in der Gemeinschaft etwas bewegen. Sehen, dass etwas vorwärtsgeht.“ Schröder, der Torwart, der Teamplayer. Und Schröder, der Erzieher, der Aufbauende, Helfende,  Mut machende. Weit  waren sie und sind sie auch heute noch nicht voneinander entfernt. Bis vor zwei Jahren arbeitete er noch im Trainer-Team der Regionalliga-„U17“ der Trierer Eintracht.

 „Ich brauche Menschen um mich herum. Ich will vermitteln“, lässt Schröder einen Blick in seine Gefühlswelt zu. Vielleicht ist deswegen, als die eigene sportliche Karriere zu Ende ging,  auch nie ein Tennisspieler, ein Golfer, ein Läufer, ein Radfahrer aus ihm geworden. So wie aus vielen anderen erfolgreichen Fußballern, die der ersten eine zweite, neue, Karriere folgen ließen.

Dass er aus seinem Talent, seiner Begabung und seiner positiven Besessenheit letztendlich sportlich nicht mehr gemacht hat,  stört ihn nicht. Mit fast 74 hat er die Mitte seines Lebens in sich selbst, seiner Familie, seinem Wirken, seiner Selbstbestätigung gefunden. Bernd Franke, damals die Nummer zwei hinter Schröder unter Trainer Jupp Derwall im Team des Fußballverbandes Saar, gelang  später der Sprung  in die Bundesliga zu Eintracht Braunschweig. Sogar sieben Einsätze in der deutschen Nationalmannschaft stehen heute in dessen Agenda.

Neidisch darauf, Charly? Ein ganz klein wenig vielleicht doch? Das laustarke „Nein. Nie“, klingt fast schon entrüstet. „Sehe ich aus, als sei ich unzufrieden?“

Mitnichten! Alles, nur das nicht. Und so, wie er da auf dieser verwitterten  Parkbank mit den vielen eingeritzten „Auf-ewig-Dein“-Herzchen am Mattheiser Weiher sitzt, ihm die Worte unaufhaltsam sprudelnd zwischen den Lippen hervorquellen, ist „Karl-Heinz“ Schröder der  personifizierte Jungbrunnen.

 Charly Schröder am Weiher

Charly Schröder am Weiher

Foto: Jürgen Braun/Picasa

Bald wird er 74. Aber er will dem Leben nicht mehr Jahre geben, sondern den Jahren mehr Leben …

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