Eishockey Der Dressman, der einst Dracula war

Baden-Baden · Wie sieht Deutschlands Mr. Eishockey Christian Ehrhoff die Zukunft nach dem Abgang von Bundestrainer Marco Sturm. Der TV sprach mit ihm im Vorfeld der Gala zur Wahl von Deutschlands Sportlern des Jahres am Sonntag in Baden-Baden.

 Christian Ehrhoff

Christian Ehrhoff

Foto: TV/Uli Hugger

Nicht selten identifizieren sich Mannschafts-Sportarten über Gallionsfiguren in den Köpfen  der Fans.  So wie der Basketball über Dirk Nowitzki oder der Handball über Heiner Brand. Christian Ehrhoff ist deren Pendant im Eishockey. 862 Spiele absolvierte er in der NHL, der weltweit wichtigsten Eishockey-Profi-Liga. In Pyeongchang führte der 36-Jährige im Februar dieses Jahres das deutsche Team zu einer nicht für möglich gehaltenen olympischen Silbermedaille.

Der TV traf ihn wenige Tage vor der Gala zur Wahl von Deutschlands Sportlern des Jahres (Sonntag, 16. Dezember, 22 Uhr, ZDF)  in Baden-Baden. Ehrhoff entspricht so gar nicht dem Klischee eines Eishockey-Cracks. Er ist modisch top gekleidet, trägt eine Designer-Brille, hat einen gepflegten Langhaarschnitt und passt mit verbindlichem Lächeln in die Kategorie Jung-Manager oder Start-up-Unternehmer. Der Verteidiger, der 16 Jahre in der NHL mit den rauesten Burschen auf dem Eis im Infight absolviert hat, weist zudem blendend weiße, und vor allem vollzählige Zahnreihen auf. Kein breitschultriger Pitbull auf Kufen mit Gebisslücken. Keiner, den man aus der Puckjäger-Montur herausgeschält und ins Sakko gesteckt hat.

Dem US-amerikanischen Profi-System geschuldet, pendelte Ehrhoff in der NHL mitunter vom einen auf den anderen Tag zwischen San José, Buffalo, Vancouver, Cleveland und Pittsburgh als Profi und Arbeitnehmer.

Im Februar, nachdem er bei der olympischen Abschlussfeier das deutsche Team mit der Flagge in der Hand anführen durfte, hat er einen Schlussstrich gezogen. „Ich habe meinen Traum gelebt. Fast zwei Jahrzehnte lang. Mein Entschluss aufzuhören, stand schon vor Olympia fest. Körperlich wäre es bestimmt noch gegangen. Aber vom Kopf her habe ich gemerkt, dass es jetzt an der Zeit ist, aufzuhören“, sagt Ehrhoff. Aus dem bissigen Dracula auf dem Eis ist ein Dressman geworden.

Ehrhoff, der mit den Vancouver Canucks 2011 im Finale des Stanley Cups, der begehrtesten Trophäe des Profi-Eishockey, stand, und seine einzigartige Karriere beim Kölner EC ausklingen ließ, ist in seiner rheinischen Heimatstadt Moers als Gesellschafter in ein Gesundheits- und Athletik-Zentrum eingestiegen. Eine Aufgabe, von langer Hand vorbereitet, die auch jene  Aufgabe nicht zulässt, für die ihn der Deutsche Eishockey-Bund gerne gehabt hätte: als Nachfolger des in die NHL zu den Los Angeles Kings gewechselten Bundestrainers Marco Sturm.

„Dem Franz“ (DEB-Präsident Franz Reindl), habe er gesagt, dass „ich mir eine Tätigkeit im Verband in irgendeiner Form durchaus vorstellen kann. Aber nicht die des Bundestrainers in einer Vollzeit-Anstellung, die mir keine Zeit mehr für andere Aktivitäten lässt“. Derzeit jedenfalls nicht. Über mögliche „personelle Konstellationen“ in der Zukunft zu sprechen, dafür sei er durchaus bereit.

Denn auch dem „Iceman“ liegt daran, dass sich das deutsche Eishockey auf dem Niveau hält, das bei Olympia gezeigt wurde. 55 Sekunden fehlten der DEB-Auswahl im Finale zu Gold. Am Ende hieß es 3:4 nach Verlängerung gegen die russische Sbornaja. „Wir haben Silber gewonnen und nicht Gold verloren“, sagt Ehrhoff, Vater dreier Töchter.

Er weiß aber auch, dass nichts so unbeständig ist wie der Erfolg. „Deutschland ist keine Eishockey-Nation wie die USA oder Kanada. Oder wie Russland, Finnland, Schweden und Tschechien.“ Direkt nach dem Gewinn der Silbermedaille habe es zahlreiche Neu-Anmeldungen in den Vereinen gegeben. Aber der Abgang von Marco Sturm habe vieles wieder infrage gestellt.

Am morgigen Sonntag steht zum Abschluss eines bewegten Jahres  Feiern mit den Kollegen von Pyeongchang auf dem Programm. Bei der Wahl zu Deutschlands  Sportlern des Jahres in Baden-Baden. Sein Wunsch: „Es wäre schon toll, wenn wir da weit vorn landen könnten. Das ist einer deutschen Eishockey-Nationalmannschaft ja noch nie gelungen.“

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