Verbraucher Pilotenstreik: Lufthansa muss Entschädigung zahlen

Luxemburg · Europäisches Verbraucherzentrum Luxemburg macht auf aktuelles Urteil aus dem Großherzogtum aufmerksam. Folgen für Ryanair-Streik?

 Frust am Flughafen: Wenn der Flug wegen Streiks ausfällt, ist der Frust bei vielen Betroffenen groß.

Frust am Flughafen: Wenn der Flug wegen Streiks ausfällt, ist der Frust bei vielen Betroffenen groß.

Foto: dpa/Francisco Seco

Und schon wieder stehen Streiks bei Fluggesellschaften an: Für viele Verbraucher stellt sich bei Ausfällen oder Verspätungen die Frage nach Entschädigungen. Die Einschätzung dazu ist zwiespältig: Beim Ryanair-Streik können Reisende zunächst nicht mit einer Entschädigung für Ausfälle oder Verspätungen ihrer Flüge von mehr als drei Stunden rechnen. Laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handele es sich hierbei um einen Fall von höherer Gewalt. Das gilt unter der Bedingung, dass die Fluggesellschaft alles in ihrer Macht Stehende unternimmt, um die Folgen des Streiks zu minimieren. Ryanair hat Entschädigungen bereits abgelehnt, weil die Streiks nicht in der Macht der Airline lägen. Allerdings habe sich die Rechtsprechung weiterentwickelt, erklärt der Reiserechtsexperte Paul Degott aus Hannover der Deutschen Presseagentur. Darauf bezieht sich auch das Europäische Verbraucherzentrum in Luxemburg (CEC) und macht Fluggästen Mut.

Der Grund dafür: In Luxemburg hat ein Gericht Klägern recht gegeben und bezieht sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichthofs. Die Kläger aus Luxemburg haben bei ihrem Verfahren ein kostenloses Klageformular des CEC aus dem Internet genutzt.

Personalstreiks bei Fluggesellschaften, zuletzt Ryanair, scheinen an der Tagesordnung. Vieles dreht sich dabei um die Frage, ob die Passagiere von den Fluggesellschaften für die Flugverspätungen und -annulierungen zu entschädigen sind. Zwei Kläger aus Luxemburg wollten es wissen und zogen mit ihrem Fall vor Gericht.

Das Friedensgericht Luxemburg hat nunmehr die Frage nach Entschädigung Ja oder Nein im Fall des Pilotenstreiks im Herbst 2016 bei Lufthansa in einem jüngsten Urteil vom 18. Juli 2018 beantwortet. Das Gericht ist der Ansicht, dass der angekündigte Streik der Piloten von Lufthansa keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der europäischen Fluggastrechteverordnung darstellte. Die Fluggesellschaft wird damit verpflichtet, Ausgleichszahlungen an die beiden Kläger zu zahlen. Bezogen hat sich der Friedensrichter dabei auf ein ebenfalls kürzlich ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom April 2018. Im Urteil TUIfly hatten die Richter bereits den Fall eines „wilden” Streiks eines Teil des Personals nicht als außergewöhnlichen Umstand qualifiziert.

Die Kläger dürften damit in Luxemburg eines der ersten Urteile überhaupt erstritten haben, in dem ein nationales Gericht unter Anwendung der Kriterien des TUIfly-Urteils des Europäischen Gerichtshofes – eine Fluggesellschaft zur Zahlung von Entschädigungen verpflichtet, bewertet das CEC die Lage.

Im konkreten Fall vor dem Friedensgericht in Luxemburg war der Flug der beiden luxemburgischen Kläger nach Oslo im Oktober 2016 wegen Pilotenstreiks annulliert worden. Es erfolgte zwar eine Umbuchung auf einen anderen Flug, der aber wiederum erst mit einer mehr als dreistündigen Verspätung in Oslo ankam.

Nachdem die Kläger zuerst selber ihre Ansprüche vergeblich bei der Fluglinie geltend gemacht hatten, wandten sie sich an das Europäische Verbraucherzentrum Luxemburg. Obwohl das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren in derartigen Fällen oftmals außergerichtliche Lösungen erzielt, hat Lufthansa in diesem Fall nicht eingelenkt. Daher zogen die Kläger in Luxemburg vor Gericht. Sie konnten ihre Ansprüche durch das von der EU initierte Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen durchsetzen. Es ist in Luxemburg kostenfrei, und ein Anwalt wird nicht benötigt. Die beiden Kläger füllten lediglich ein dafür vorgesehenes Formular aus.

Die Kläger freuen sich auf 250 Euro Entschädigung plus Zinsen pro Person. Lufthansa könnte mit weiteren Entschädigungsanfragen konfrontiert werden.

Karin Basenach, Direktorin vom Europäischen Verbraucherzentrum Luxemburg: „Pauschalierungen verbieten sich aber. Jeder Streik bei Fluggesellschaften muss vielmehr von Fall zu Fall analysiert werden.Tatsache ist jedoch, dass die Juristen sich aktuell den Kopf darüber zerbrechen, ob Ausgleichszahlungen von Ryanair zu zahlen sind oder nicht. Wir haben mit dem Urteil aus Luxemburg eine Antwort“.

Das Europäische Verbraucherzentrum Luxemburg rät Verbrauchern, die gerade auch von den aktuellen Streiks bei Ryanair betroffen sind, neben der Erstattung des Ticketpreises für annullierte Flüge auch eine Entschädigung, die je nach Reichweite des Fluges zwischen 250 und 600 Euro betragen könne, bei der Fluggesellschaft schriftlich geltend zu machen. Das Europäische Verbraucherzentrum stellt dafür einen Musterbrief zur Verfügung, der im Übrigen auch für jede Art von Personalstreiks bei Fluggesellschaften genutzt werden könne, so Basenach.

Für deutsche Kunden ist zunächst das Europäische Verbraucherzentrum in Kehl zuständig, Telefon 07851/991480.

Unterstützung gibt es aber auch vom Zentrum in Luxemburg. Karin Basenach zum TV: „Sollte sich die Durchsetzung Ihrer Rechte schwierig gestalten oder bei Fragen rund um das Thema Fluggastrechte können Sie sich an das Europäische Verbraucherzentrum wenden.“

Europäisches Verbraucherzentrum Luxemburg, 2A, rue Kalchesbrück, L-1852 Luxemburg, Tel. +352 268464-1, ­www.cecluxembourg.lu, info@cecluxembourg.lu

Das Europäische Verbraucherzentrum Luxemburg ist Teil eines Netzwerkes Europäischer Verbraucherzentren in der EU sowie in Island und Norwegen. Die Zentren werden unter anderem von der Europäischen Kommission finanziert. Die Dienstleistungen sind kostenfrei.

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