Interview „Wer sich selbst nicht mag, mag auch andere nicht“

Der Trierer Fitness-Experte gibt Tipps fürs gesunde Altwerden. Sport ist auch gut für das Gehirn.

 Fitness-Coach Holger Jungandreas.

Fitness-Coach Holger Jungandreas.

Foto: Privat

Herr Jungandreas, bedeutet Alter unweigerlich krank, gebrechlich und vergesslich zu sein?

HOLGER JUNGANDREAS Nein, im Gegenteil! Wir haben alle Chancen, auch im Alter, gesund, fit und glücklich zu sein. Nach dem Motto „use it or lose it“, oder besser: „Wer rastet, der rostet“, können wir selbst dafür sorgen. Wir müssen diese Chance nur nutzen. Der Mensch ist ein ganzheitliches, plastisches System. Wir haben alle Möglichkeiten Körper, Geist und Seele nach unseren Wünschen zu formen.

Warum ist der eine 80-Jährige fit wie ein, sagen wir mal, 60-Jähriger und der andere kann sich nur noch schwer auf den Beinen halten?

JUNGANDREAS Natürlich spielen die Gene auch eine Rolle. Wer sich jedoch ein Leben lang körperlich und geistig bewegt hat und eine positive Grundeinstellung hat, ist deutlich im Vorteil und kann Gene, die eventuell etwas Negatives aussagen wollen, überlisten. Positive Erfahrungen, egal in welchen Lebensbereichen, in Mannschaften, Familien und in der Partnerschaft, machen gesund und glücklich.

Reicht es aus, erst im Alter, etwa ab der Rente, sportlich aktiv zu werden, um körperlich fit zu bleiben oder sollte man schon früher damit beginnen? Und wenn, ab wann?

JUNGANDREAS Eine sportliche Kindheit und Jugend sind ein großes Faustpfand. Unsere Muskulatur hat ein Gedächtnis. Muskelgruppen, die in der Kindheit und im Jugendalter häufig beansprucht werden, können sich daran im Alter wieder erinnern,  nach dem Motto: Da war doch mal was. Ein Wiedereinstieg im Alter in Sport und Bewegung fällt dann wesentlich leichter. Dies ist natürlich auch ein Argument für unser Plädoyer für mehr Sport und Bewegung für Kinder.

Wie viel sollte man sich bewegen, um lange fit zu bleiben? Welche Sportarten empfehlen Sie?

JUNGANDREAS Täglich! Wir sprechen hier über Bewegung. Die Wissenschaft hat nachgewiesen, dass der Mensch, egal wie alt, einen täglichen dynamischen Bewegungsreiz von 30 Minuten nonstopp braucht, um gesund zu bleiben oder zu werden. Das ist das Mindeste, das Minimum an Bewegung. Darauf lässt sich jedoch aufbauen. Die Dynamik durch einen täglichen 30-minütigen non-stopp-Spaziergang kann nach einigen Wochen das Fundament sein für den Einstieg in ein regelmäßiges Sporttreiben. Vom Gehen entwickelt sich das Walken, vom Walken kommen wir zum Joggen, vom Joggen nach einiger Zeit zum Laufen. Wobei wir von einem höchst effektiven Training für Herz und Kreislauf sprechen. Aber auch andere Ausdauersportarten wie Radfahren, Nordic Walking, Bergwandern. Schwimmen und Tanzen sowie mit einer gewissen Vorerfahrung auch Rudern, Inlinern und Skilanglauf.

 Kann man mit 80 noch einen Marathon laufen oder sollte man es in dem Alter eher sportlich gemächlich angehen?

JUNGANDREAS Ein Marathonlauf ist auch für Jüngere eine hochkomplexe und für den Organismus strapaziöse Belastung. Dies sollte man vor allem älteren Menschen nicht zumuten. Sport und Bewegung sollen dem Menschen guttun, Spaß bereiten und entspannen. Wohlfühlen und Entspannung durch Bewegung. Interessanterweise sind unsere Urahnen in der Steppe bei der Jagd instinktiv nie über 30 Kilometer gelaufen.

Körperliche Fitness ist das Eine, geistige Fitness die andere. Hängen beide zusammen?

JUNGANDREAS Auch hier gilt: Wer rastet, der rostet. Neue Verknüpfungen im Gehirn zu erstellen ist in jedem Alter möglich. Auch im Alter kann man neue Erfahrungen sammeln, Neues lernen, neue Menschen kennenlernen, neue Regionen erkunden und somit geistig agil bleiben. Das Neue ist das, was unser Gehirn herausfordert. Aber auch die gesunde, mediterran-abwechslungsreiche Ernährung darf nicht vergessen werden.

Welche Bedeutung hat eine positive Lebenseinstellung dafür, glücklich alt zu werden?

JUNGANDREAS Eine entscheidende. Was nützen alle Maßnahmen zu einem gesunden Leben, wenn man im Herzen ein Griesgram ist, der insgeheim denkt: Bringt ja sowieso nichts. Gott sei Dank kann sich jeder Mensch ändern. Eine positive Lebenseinstellung ist nicht nur erlern-, sondern auch trainierbar. Sie drückt sich aus durch eine Körperhaltung, die Optimismus ausstrahlt: Lächeln, gerader Rücken, Brust raus. Das Eintrainieren dieser positiven Körperhaltung ist schon ein erster Schritt. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass man selbst sein bester Freund ist. Wer sich selbst nicht mag, ist auch nicht imstande, andere zu mögen. Auch dies kann man lernen. Die Glücksforschung hat gezeigt, dass Menschen am glücklichsten sind, wenn sie mit anderen in Kontakt treten, in einer Gemeinschaft leben, beispielsweise in der Gruppe, Mannschaft oder Familie und wenn sie eins machen: aktiv bleiben, Sport treiben, einem Hobby nachgehen. Oder sogar die Arbeit, die einem ein Leben lang Spaß gemacht hat und ausgefüllt hat, wenn möglich einfach weitermacht.

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