Bauprobleme Trier macht Kulturzentrum Exhaus völlig überraschend komplett dicht (Update)

Trier · Mitten in der Brandschutzsanierung zeigt sich, dass tragende Bauteile in einem sehr schlechten Zustand sind. Die Verwaltung geht kein Risiko ein und verfügt die Schließung und Räumung des Gebäudes.

 Die Stadt hat das Jugend- und Kulturzentrum Exhaus komplett geschlossen.

Die Stadt hat das Jugend- und Kulturzentrum Exhaus komplett geschlossen.

Foto: Friedemann Vetter

Baudezernent Andreas Ludwig (CDU) gibt sich große Mühe, ruhig und gelassen zu wirken. Er schafft es nicht. „Ich kann doch nicht einfach weitermachen wie bisher, die Gefahr ignorieren und riskieren, dass Menschen verletzt werden“, sagt er. Denn jeder, der sich im Exhaus aufhält, sei in Gefahr. Tragende Bauteile seien schwach und marode. Nach einem Alarm des Statikers Anfang der Woche hat die Stadt nach dem schon im September 2018 geschlossenen Mittelteil jetzt auch den Nord- und Südflügel geschlossen. Damit ist das Exhaus komplett dicht .Alles muss raus, auch die Mitarbeiter des Betreibervereins.

Die bereits laufenden Arbeiten, die das beliebte Jugend- und Kulturzentrum in den Punkten Brandschutz und Sicherheit fit für die Zukunft machen sollen, haben im Mai 2018 begonnen, sollen 4,3 Millionen Euro kosten und im Sommer abgeschlossen werden (der TV berichtete mehrmals). Das war der aktuelle Stand. Dieser ist jetzt nichts mehr wert. Ob das Exhaus jemals wieder öffnen wird, kann heute niemand mit absoluter Sicherheit sagen. „Wir werden alles dafür tun“, sagt Bürgermeisterin Elvira Garbes (Bündnis 90/Die Grünen). „Das Exhaus ist ein Stück Stadtgeschichte und unschätzbar wertvoll, es muss erhalten bleiben.“

Ludwig ist in Erklärungsnot, und das weiß er auch sehr genau. „Alle werden mich jetzt fragen, warum wir nicht früher bemerkt haben, wie schlimm es bautechnisch um das Exhaus steht“, sagt er. Eine Vorlage für Jürgen Eckstein, einen erfahrenen Fachmann, der die Brandschutzsanierung des Exhauses als Projektleiter begleitet.

„Es ist unglaublich, was man in diesem Gebäude alles findet“, sagt er. „Dazu gehören Vorgehensweisen aus der Nachkriegszeit, in der man einfach mit den wenigen Mitteln und Methoden gearbeitet hat, die man damals hatte.“ Und die heute längst nicht mehr zulässig wären. „Es gibt aber auch andere Methoden, und die grenzen wirklich an Dilletantismus.“ Zum Beispiel Tragebalken, die  aus kosmetischen Gründen  komplett weggeschnitten oder mit Leitungen durchlöchert worden sind.

Eckstein und Ludwig betonen mehrmals übereinstimmend: In einem Gebäude, das so alt ist wie das Exhaus (siehe Info) und an dem Generationen von Handwerkern gearbeitet haben, sieht man nicht alle Probleme auf den ersten Blick. Viele Schwächen sind verborgen und zeigen sich erst, wenn man sie konkret aufdeckt. Das bedeutet: Je weiter die laufenden Brandschutzarbeiten fortgeschritten waren, umso mehr Probleme tauchten auf. Bis dann der Statiker nachrechnete und sagte: Dieser Tragebalken ist zu 100 Prozent überlastet. „Da möchte ich dann nicht darunter stehen, vor allem dann nicht, wenn im Stockwerk über mir viele Menschen tanzen und eine Party feiern“, sagt Eckstein.

Jetzt tanzt niemand mehr. Konzerte und Partys, die bereits geplant sind, müssen abgesagt oder verlegt werden. Doch das Leistungsspektrum des Exhauses reicht weit darüber hinaus. Seit 1989 befindet sich im Südflügel des Exhauses der Kinderhort mit 45 Plätzen, der ein fester Bestandteil der Schulkindbetreuung in Trier-Nord ist. Dazu kommen Angebote wie das Fanprojekt Trier für junge Fußballfans und viele Projekte der Jugend- und Sozialarbeit, die von den 50 Mitarbeitern des Betreibervereins betreut und getragen werden.

Der Hort zog bereits 2018 um, als die Brandschutzarbeiten begannen. Jetzt folgen alle anderen Projekte, Aktivitäten und auch Mitarbeiter. Bis zum heutigen Freitag sollen sie ihre Arbeitsplätze räumen. „Die Suche nach Alternativarbeitsplätzen läuft auf Hochtouren“, sagt Carsten Lang, der Leiter des Trierer Jugendamts.

Cornelius Günther hat 2018 die Leitung des Betreibervereins übernommen. „Die Schließung des Exhauses ist notwendig, wir verstehen diesen Schritt“, sagt er. „Wir können alle froh sein, dass nie etwas passiert ist.“ Dennoch sei die Nachricht ein echter „Keulenschlag“.

Der Verein wolle viele Gespräche führen und nach Ausweichplätzen für seine Projekte und Veranstaltungen suchen, betont Günther. „Das Exhaus soll als Kulturzentrum erhalten bleiben.“

Doch damit ist es leider nicht getan. Denn der Verein hat 2018 Insolvenz angemeldet, das Verfahren wurde am 1. Mai eröffnet und läuft noch. Der Grund: Wegen der Brandschutzeinschränkungen beim Einlass und des Umbaus sind die Einnahmen des Vereins aus Partys und Konzerten stark gesunken.

„Wir wähnten uns auf der Zielgeraden“, sagt die Rechtsanwältin Christine Frosch, sie ist die insolvenzrechtliche Generalbevollmächtigte. „Doch jetzt können wir den Insolvenzplan nicht mehr erreichen, der Finanzplan ist nicht mehr belastbar.“ Denn dieser Plan beruhte auf der Annahme, ab Mitte 2019 seien die Räume des Exhauses wieder voll einsetzbar. Noch ist offen, wie es weitergeht.

Was hat die Stadt jetzt vor? „Wir wollen eine Generalsanierung für den gesamten Gebäudekomplex des Exhauses“, sagt Baudezernent Ludwig. Die zurzeit laufenden Arbeiten im Rahmen der Brandschutzsanierung sollen abgeschlossen werden, aber sie werden das Exhaus nicht retten.

Eine Generalsanierung ist ein völlig neues Kapitel, für das auch ein neuer Beschluss des Stadtrats nötig ist. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Andreas Ludwig kündigt an: „Es wird eine umfangreiche Ermittlung geben, die zeigen soll, was die Sicherung des Gebäudes und die Wiederherstellung der Nutzbarkeit kosten wird.“ Danach folgen die Anschlussplanung sowie die politische Debatte und Entscheidung. Dieser gesamte Prozess und die Bauphase dauern mindestens sechs Jahre. Vorsichtig geschätzt.

„Wir wissen noch nicht, wo wir landen werden“, räumt Ludwig ein. Ein zweistelliger Millionenbetrag sei eine realistische Schätzung für eine Generalsanierung. Doch ob Trier zusammen mit Mainz in der Lage sein wird, diesen Brocken auch tatsächlich zu stemmen, werde sich zeigen müssen. „Wir wollen es versuchen.“

Kommentar:

Was immer es auch kosten mag

Es ist ein Schock, ein Schlag in die Magengrube und eine wirklich schlechte Nachricht für die Jugend- und Kulturszene der Stadt Trier. Das Exhaus ist dicht. Vollständig.

Zwei Dinge sind jetzt fundamental wichtig. Nummer eins: Durch offenbar geradezu unglaubliches Glück endete die jüngere Geschichte des Exhauses nicht in einer Katastrophe mit gebrochenen Tragebalken und eingestürzten Decken, unter und über denen gerade Menschen gefeiert oder gearbeitet haben. Nummer zwei: Die Stadt Trier will alles in ihrer finanziellen und planerischen Macht Stehende tun, das Exhaus zu sanieren und es dort, wo es jetzt steht, wieder zu dem immens wichtigen Kulturzentrum zu machen, das es seit Jahrzehnten ist.

An diesem Ziel muss sich die Stadt in den nächsten Jahren messen lassen. Denn das Exhaus ist unersetzbar, unverzichtbar. Seine Zukunft ist eine absolut notwendige Investition, auch in zweistelliger Millionenhöhe.

j.pistorius@volksfreund.de

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