Frostschäden an Weinreben könnten in Zukunft öfters vorkommen

Bernkastel-Kues/Trier · Nach drei Wochen sind nun die Folgen der eisigen Nacht im April in den Weinbergen sichtbar. Reben treiben wegen der Klimaveränderung immer früher aus.

 Diese Rebe hat es schlimm erwischt. Fast alle Knospen sind erfroren.

Diese Rebe hat es schlimm erwischt. Fast alle Knospen sind erfroren.

Foto: Winfried Simon

In diesem Jahr sollte der Weinberg den ersten vollen Ertrag bringen. Vor vier Jahren haben Detlef und Kerstin Müllers in Kindel auf der anderen Moselseite eine 6000 Quadratmeter große Fläche neu bepflanzt. Doch die Frostnacht vom 19. auf den 20. April (der TV berichtete) hat die Hoffnungen auf jede Menge schöner Trauben zunichtegemacht. Viele Knospen - die Winzer sprechen von Augen - die gerade ausgetrieben waren, sind erfroren. An manchen Rebstöcken sind fast alle erfroren, an anderen nur ein paar wenige.

Jetzt, nach drei Wochen, ist das ganze Ausmaß der Frostschäden in den Weinbergen von Mosel, Saar und Ruwer sichtbar - Frostschäden, wie es sie seit Jahrzehnten an der Mosel nicht mehr gegeben hat.
Eric Lentes, Weinbauberater am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel in Bernkastel-Kues, war in den vergangenen Wochen im gesamten Anbaugebiet unterwegs. Sein Fazit: Insgesamt sind 30 bis 40 Prozent der Knospen geschädigt. In manchen Lagen hat der Frost nur ganz wenig zugeschlagen, in anderen hingegen so stark, dass einzelne Reben völlig kahl bleiben. Lentes: "Es gibt sogar Stöcke, die ganz tot sind."

30 bis 40 Prozent Frostschäden bedeuten allerdings nicht gleichzeitig 30 bis 40 Prozent Ernteverlust, erklärt Lentes. Die Rebe kann solche Schäden teilweise kompensieren, weil sich meistens an den nicht erfrorenen Trieben größere Trauben entwickeln. Außerdem können sogenannte Nebenaugen austreiben, die allerdings nur wenige oder überhaupt keine Trauben bilden.

Was auffällt: Die Schäden nehmen moselaufwärts Richtung Luxemburg/Frankreich zu. Dort sind die meisten Weinberge nicht mehr so steil, wie beispielweise an der Untermosel. Die schwerere kalte Luft hat die Eigenschaft, sich am Boden zu sammeln. Kann sie wegen eines Hindernisses, zum Beispiel Bäume oder Häuser, nicht abfließen, staut sie sich und richtet mehr Schaden an.
Was die Rebsorten betrifft, fällt auf: Besonders stark erwischt hat es die Burgundersorten sowie der Dornfelder, weil sie bereits etwas früher ausgetrieben waren.
Ein weiteres Phänomen ist diesmal zu beobachten: In der besagten Nacht sanken die Temperaturen in vielen Weinbergen auf bis minus fünf Grad. Solche Werte bedeuten normalerweise Totalschaden. Doch zum Glück war die Luft sehr trocken.

Meistens herrscht bei Spätfrostereignissen im April oder Mai eine sogenannte Inversionswetterlage. In Bodennähe sind dann die Temperaturen sehr kalt, in einigen Metern Höhe ist die Luft aber deutlich wärmer. Diesmal war es eine regelrechte Kältewelle, die von Nordost nach ganz Mitteleuropa einströmte. Daher sind in allen Weinbauländern - unter anderem in Italien, Frankreich, Österreich, Schweiz - Frostschäden zu beklagen.
Interessanterweise kam die Pfalz in der Frostnacht vom 19. auf den 20. April relativ glimpflich davon, dafür waren die Schäden eine Woche später, als die Temperaturen erneut unter den Gefrierpunkt sanken, umso größer.
Lentes rechnet damit, dass in Zukunft die Schäden an Reben durch Spätfröste zunehmen. Mit dem Klimawandel steige die Wahrscheinlichkeit für wärmere Winter und damit für einen früheren Knospenaustrieb. Die Triebe seien daher öfter der Gefahr eines möglichen Spätfrostes ausgesetzt.

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