Erst ausgelacht, dann bestaunt und bejubelt: Wie Vater und Sohn aus Kröv mit einem 44 Jahre alten Wartburg in Monte Carlo Rallyegeschichte schreiben

Kröv · Beim dritten Mal hat es geklappt. Gerhard und Frank Richter haben bei der Rallye Monte Carlo für historische Fahrzeuge einen sensationellen Klassensieg gelandet - mit einem eigentlich völlig unterlegenen, 44 Jahre alten "Schätzchen" aus Eisenach.

 Auf Schnee und Eis am besten: Frank und Gerhard Richter während der Rallye Monte Carlo Historique in ihrem 44 Jahre alten Wartburg. Foto: Privat

Auf Schnee und Eis am besten: Frank und Gerhard Richter während der Rallye Monte Carlo Historique in ihrem 44 Jahre alten Wartburg. Foto: Privat

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Fahrer, Beifahrer und Auto sind zusammen 169 Jahre alt - aber Alter schützt in diesem Fall nicht vor einem Klassensieg bei der bedeutendsten Rallye der Welt. Gerhard (81) und Frank Richter (44) haben in einem 44 Jahre alten Wartburg 353 Geschichte geschrieben und sich bei der Rallye Monte Carlo für historische Fahrzeuge ein Denkmal gesetzt. "Als wir beim Start ankamen, haben alle gesagt: Was wollen die denn mit der Karre. Als wir den Pokal in den Händen hielten, haben alle applaudiert und uns ernst genommen", blickt Frank Richter - wie sein Vater Kraftfahrzeugmeister - zurück auf die spannende Woche in und um Monte Carlo.

Vor drei Jahren wollten sich der ehemalige DDR-Rallyemeister und sein Sohn, die 1998 aus dem Osten an die Mosel zogen, erstmals ihren Traum von Monte Carlo erfüllen - doch schon bei der Anreise waren sie in einen Unfall verwickelt, konnten nicht mitfahren. Dann, 2013, war es soweit: Mit einem 53 Jahre alten Wartburg GT, den Gerhard Richter schon im Jahr 1963 pilotiert hatte, fuhren sie die Rallye Monte Carlo für historische Fahrzeuge - für den rüstigen Rentner sollte es der Schlusspunkt seiner Rallye-Karriere sein. "Aber nur am Steuer, Beifahrer geht immer noch", sagt der 81-Jährige. Den Wartburg haben sie immer noch in der Garage. "Aber der ist zu schade, um Rallye zu fahren", sagt sein Sohn.

So wurde im Vorjahr in der Nähe von Dresden ein Wartburg aus Franks Geburtsjahr 1970 aufgetan, der ausschließlich mit Originalteilen fit für Rallyes gemacht wurde. "Den Motor hatte ich noch im Keller, und im Internet haben wir alle übrigen Teile gefunden", sagt Richter junior, der schon bei der Rallye Paris - Dakar als Servicemann mit dabei war und in Enkirch lebt.

Mit einer Rallye in Polen wurde der rund 60 PS starke Wartburg im Herbst auf Herz und Nieren getestet und für gut befunden, kurz vor Weihnachten machten sich Vater und Sohn in einem "normalen" Auto auf, um die Strecke der Monte Carlo Historique abzufahren.

In Eisenach fiebert man mit

"Frank hat alle Prüfungen auf Video aufgenommen, sich Notizen gemacht und dann bei der Rallye mehrfach studiert. Perfekt", lobt der Vater. "Und Papa hat seine ganze Rallye-Erfahrung als Beifahrer eingebracht", gibt der Sohn zurück.

Zum Vor-Start ging es nach Turin, von dort zum eigentlichen Start nach Monte Carlo. Insgesamt hatte der 44 Jahre alte Wartburg am Ende 2300 Kilometer zurückgelegt, davon 350 in Wertungsprüfungen wie der berühmten "Nacht der langen Messer". Und nicht nur in Kröv drückte man den Richters die Daumen, auch in Eisenach, der Heimat der Wartburgs. "Ich kenne sogar den, der 1973 als letzter DDR-Pilot mit einem Wartburg 353 bei der echten Rallye Monte Carlo starten durfte, er ist heute im Museum tätig", sagt Gerhard Richter.

Mit dem Zweitakt-Motor waren sie in ihrer Klasse (Fahrzeuge bis Baujahr 1971, bis 1300 Kubikzentimeter Hubraum) der Konkurrenz aus Renault Alpine oder Minis eigentlich hoffnungslos unterlegen. "Aber auf Schnee und Eis war unser Schätzchen genial, und wir waren am Ende ganz vorne", sagt Frank, und zeigt stolz den Pokal, den es auf der Siegerrampe in Monte Carlo für den Klassensieg gab. Aber er gibt auch zu: "Eigentlich ist das Auto, speziell die Lackierung, richtig hässlich."

Aber Schönheit zählt auf der Strecke nicht, nur das Gaspedal: "Manchmal konnte es einem bei Franks Fahrstil schon mulmig werden, aber wir haben die Rallye ohne größere Schäden beendet", sagt Vater Richter. Unter 305 gestarteten Fahrzeugen landeten die Richters in der Gesamtwertung auf Platz 57. "Wir wollten unter die ersten 100. Dass es so gut läuft, konnte niemand erwarten", sagt Gerhard Richter, dessen Frau aus der Ferne immer mitgezittert hat, dass alle wieder heil nach Hause kommen.

Im Herbst geht es wieder zur Raid Polska Rallye für historische Fahrzeuge nach Polen - und der Sohn wird auch weiter der Fahrer bleiben: "Ich war lange genug Beifahrer." Und nächsten Januar reizt die beiden dann wieder das mondäne Flair von Monte Carlo. 2016 wird der Wartburg von der Mosel sicher nicht ausgelacht werden.

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