Geschichte Uni-Projekt deckt Gräueltaten von Nazi-Ärzten in der Region auf

Trier · Nach über 70 Jahren ist noch wenig bekannt über Mediziner unterm Hakenkreuz. Viele Kliniken öffnen erst jetzt ihre Archive. Ein Trierer Historiker hat fleißig geforscht.

Mediziner unterm Hakenkreuz.
Viele Kliniken öffnen erst jetzt ihre Archive. Trierer Historiker hat fleißig geforscht.
Foto: Friedemann Vetter

Fast 74 Jahre nach Ende der Nazi-Diktatur sind noch immer nicht alle Gräueltaten restlos aufgeklärt. Auch in der Region nicht. Eine nun vorgelegte Doktorarbeit über die Beteiligung von Ärzten im ehemaligen Regierungsbezirk Trier an der Rassenhygiene der Nazis soll dazu beitragen, Licht in ein düsteres, bisher noch wenig erforschtes Kapitel zu bringen. Bislang gab es nur wenige gesicherte Erkenntnisse darüber, wie viele regionale Ärzte an Zwangssterilisationen und Deportation von als psychisch krank erklärten Patienten beteiligt waren.

Die 300 Seiten umfassende Arbeit des 30-jährigen Historikers und Theologen Matthias Klein belegt nun eindrucksvoll, dass zwischen 1934 und 1944 über 2000 Menschen in Trier, Saarburg und Wittlich zwangssterilisiert wurden. Grundlage war das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Neben den Ärzten, die unmittelbar an den unmenschlichen Eingriffen beteiligt waren, konnte Klein belegen, dass weitere 21 Mediziner am Erbgesundheitsgericht Trier, das darüber entschied, wer zwangssterilisiert werden sollte, an der Rassenideologie der Nazis mitwirkten.

Doch warum hat es solange gedauert bis zu diesen Erkenntnissen? Bis 2012 wurde kaum über dieses Kapitel der Trierer Ärzteschaft gesprochen. Mit einer vom damaligen Vorsitzenden der Bezirksärztekammer, Günther Matheis, initiierten Vortragsreihe über Mediziner unterm Hakenkreuz wurde erstmals Bewusstsein für das Thema geschaffen, und es kamen unbequeme Wahrheiten ans Licht.

Aus dieser Vortragsreihe resultiert auch die nun vorgelegte und mit der Höchstnote „absolut überzeugend“ bewertete Doktorarbeit. Sie enthalte „wichtige neue Erkenntnisse“, sagt Lutz Raphael, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Uni Trier. Der Grund, warum es diese Erkenntnisse erst jetzt gebe, sei auch darin zu suchen, dass viele Krankenhäuser die Patientenakten aus der Nazi-Zeit erst in den vergangenen Jahren für Forschungszwecke geöffnet hätten. Auch das Trierer Brüderkrankenhaus hat Klein Einblick in Dokumente der damaligen Zeit gewährt, um herauszufinden, was mit über 500 Patienten der damaligen Heil- und Pflegeanstalt der Barmherzigen Brüder geschehen ist, die zu Beginn des Zweiten Weltkriegs deportiert wurden. Klein hat für seine Arbeit innerhalb von vier Jahren 19 Archive im In- und Ausland durchforstet, die Auskunft geben über das Schicksal von Patienten aus der Region, die in die Fänge von Nazi-Ärzten geraten sind.

Auch in der Ärzteschaft in der Region war das Thema lange ein Tabu. Möglicher Grund dafür: Immer noch leben hier Verwandte von Medizinern, die Menschenleben zerstörten. „Wir müssen wegkommen von dem Schweigen“, sagte Matheis, der heute Präsident der Landesärztekammer ist, damals. Die Mediziner in der Region hätten viel zu spät mit der Aufarbeitung der Naziv-Vergangenheit begonnen.

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