Kultur „Schwanensee“: Getanzt haben sie gut

Trier · Den Wunsch nach einem Fernglas und kraftvolle Figuren und Sprünge gab es gestern in der Europahalle. Die Kompagnie des Balletts aus dem russischen Ufa machte auf ihrer Tournee auch halt in Trier.

 Rustam Ischakow als Siegfried und Walerija Isaewa als die Schwanenkönigin.

Rustam Ischakow als Siegfried und Walerija Isaewa als die Schwanenkönigin.

Foto: TV/Clemens Sarholz

Tutus formieren sich zu einem Traum in Weiß. Ballerinen, wie mit Lineal und Zirkel auf die Bühne skizziert, synchron wogende Arme, puppenhafte Gestik und Gesichter, die sich in Schwäne verwandeln, wenn man sich nur auf die Darbietung einlassen kann.

All das wünscht man sich, wenn man zu einer Aufführung von  „Schwanensee“ geht, die etwa 50 Euro kostet, wie die in der Europahalle in Trier. Etwa 600 Plätze waren besetzt. Die Ballettcompagnie aus der russischen Stadt Ufa tanzt derzeit im Akkord durch Deutschland.

Doch der Wunsch blieb unerfüllt. Wer sich auf ein Orchester gefreut hat, der musste enttäuscht feststellen, dass eine Aufnahme des „L´Orchestre National Du Bolchoi“ aus der Anlage klingt. Die Akustik immerhin klar und gut. Über das Fehlen des Orchesters konnte man hinwegsehen. Nicht aber über die Köpfe der Vorderen, die den Blick auf die Zehenspitzen verwehren. Die flache Bestuhlung trübt den Genuss. Dabei waren die ersten drei Reihen nicht besetzt. Verschwendeter Platz mit guter Sicht. Die Krönung: In den ersten zwei Akten werden nicht einmal alle Vorhänge zugezogen.

Auf dem Schoß einer Mutter sitzt ein kleines Mädchen und knuspert freudig aus ihrer Chipstüte. „Ist das jetzt ein besseres Kino? Oder ein schlechteres? Oder nur ein teureres?“, fragt einer seine Nachbarin.

Die Umstände dürfen nicht glauben machen, die Tänzer seien schlecht. Sie sind gut! Kraftvoll, synchron, anmutig, elegant, träumerisch, puppenhaft – die Adjektive, die einem so einfallen, wenn man an Ballett denkt, treffen zu.

Rustam Ischakow tanzt Siegfried, den Protagonisten. Er ist ein Prinz, der zum 21. Geburtstag von seiner Mutter die Order bekommt, sich eine Frau zu suchen. In der Europahalle und in der Inszenierung von Marius Petipa tritt er auf wie einer, der alle haben könnte, aber keine möchte.

Doch dann erscheint seine Schwanenkönigin (Walerija Isaewa), Prinzessin Odette, die vom bösen Zauberer Rothbart (Ildar Bikbulatow), verflucht wurde, tagsüber in Schwanengestalt leben zu müssen, bis dass ihr jemand die wahre Liebe schwört. Und er verliebt sich. Sobald sie und Siegfried gemeinsam tanzen, löst sich der Prinz in eine nützliche Requisite auf, dann fallen die Blicke nur noch auf sie. Siegfried ist nur noch da, um sie zu umgarnen und ihr als Steigbügelhalter zu großen Hebe-Figuren zu verhelfen. Das muss man allerdings erst mal können.

Der Zauberer Rothbart möchte natürlich nicht, dass die Prinzessin von ihrem Fluch befreit wird und schickt deshalb den schwarzen Schwan ins Rennen um die Liebe des Prinzen – ebenfalls von Isaewa getanzt. Das verlangt etwas Schizophrenes von der Ballerina, denn sie muss sowohl die zarte Blüte der Unschuld verkörpern als auch das frivol Animalische der Verführerin. Ob sie das geschafft hat, das ist schwer zu sagen. Wegen des schlechten Blicks.

Nächstes Jahr kommen sie wieder, die Tänzer aus Ufa. Aber dann doch bitte auf eine Bühne, die dem Werk auch würdig ist.

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