100 Jahre Frauenwahlrecht 100 Jahre Frauenwahlrecht: „Drückebergerinnen darf es nicht geben!“

Konz · Der 19. Januar ist ein historisches Datum: Denn an diesem Tag vor genau 100 Jahren durften die deutschen Frauen erstmals auf nationaler Ebene wählen. Während sich die Region Trier relativ langsam an die neuen Verhältnisse gewöhnt hat, ist sie beim Erinnern an das Jubiläum vorbildlich.

 Frauen stehen am 19. Januar 1919 erstmals vor den Wahllokalen Schlange. In Konz wird anlässlich dieses historischen Datums die Wanderausstellung „100 Jahre Frauen-Wahlrecht“ gezeigt .

Frauen stehen am 19. Januar 1919 erstmals vor den Wahllokalen Schlange. In Konz wird anlässlich dieses historischen Datums die Wanderausstellung „100 Jahre Frauen-Wahlrecht“ gezeigt .

Foto: picture alliance/dpa/AdsD/Friedrich-Ebert-Stiftung/dpa

Angela Merkel (CDU) ist seit 2005 Bundeskanzlerin, Malu Dreyer (SPD) seit 2013 rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin. Sie zeigen schon lange, wie gut sich Frauen in wichtigen politischen Positionen behaupten können. Gewählt wurden die beiden Politikerinnen von Männern wie Frauen. Das war in Deutschland nicht immer eine Selbstverständlichkeit und erstmals vor 100 Jahren möglich. Die Wahl-Premiere feierten die Frauen am 19. Januar 1919. An diesem Tag gab es die erste nationale, allgemeine und gleiche Wahl, als die Deutschen über die Besetzung der Nationalversammlung entschieden (siehe Info).

Die Gleichstellungsbeauftragte für den Kreis Trier-Saarburg, Anne Hennen, hat zum runden Jubiläum zusammen mit ihren Kolleginnen aus Konz, Saarburg und Schweich eine vielbeachtete Wanderausstellung zum Frauenwahlrecht erarbeitet. Sie wird am Samstag, 19. Januar, 19 Uhr, in einer besonderen Variante im Kloster Karthaus in Konz zu sehen sein (siehe Info). Mit dem TV hat Hennen über die Auswirkungen des Frauenwahlrechts im Raum Trier gesprochen: „Man war in unserer katholisch geprägten Region nicht gerade begeistert, dass es ein Frauenwahlrecht gab.“

Der Anfang Gängige Einstellung war damals, dass Frauen für Haushalt und Kinder da zu sein haben. Dieses Rollenbild sahen Kritiker gefährdet. Im Detail hat das Hennen in einem Artikel für das Kreisjahrbuch 2018 ausgearbeitet. Demnach riefen die konservativen Kräfte Frauen trotzdem zum Wählen auf – auch in Trier. Allerdings sollten die Frauen Männer wählen, nicht Frauen. Um das zu belegen, zitiert Hennen einen Artikel des bistumseigenen Blatts Paulinus vom Dezember 1918 mit dem Titel „Die Mobilmachung der Frauen“. Darin heißt es: „Drückebergerinnen darf es nicht geben [...] gerade diese gemütvollen Hausmütterchen und bescheidenen Jungfrauen – die müssen erst recht an die Wahlurne. Denn das sind die besten Wählerinnen, das sind die Vertreterinnen der erhaltenden Volkskräfte, die auf die Wahrung von Ordnung, Sitte und Religion bedacht sind und Gegengewicht bilden gegen die radikalen Amazonen, die von links her aufgeboten werden.“

Die Pionierinnen Zumindest bei der Wahl für die Nationalversammlung setzten sich die konservativen Kräfte durch. Frauen  aus Trier haben es nicht dorthin geschafft. Ins nationale Parlament zog aus dem Wahlkreis Trier-Koblenz erstmals 1932 eine Frau ein: Else Peerenboom (CPD/CDU) war insgesamt drei Jahre von 1930 bis 1933 im Reichstag, von 1932 bis 1933 als Abgeordnete des Wahlkreises Koblenz-Trier. Nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 wurde das passive Wahlrecht der Frauen jedoch abgeschafft. Peerenbooms Karriere im Reichstag endete.

 Die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Trier-Saaburg, Anne Hennen (am Rednerpult, und ihre Kolleginnen und Unterstützerinnen bei der Premiere der Ausstellung über 100 Jahre Frauenwahlrecht im März 2018 in der Trier-Saarburger Kreisverwaltung. Foto: Martina Bosch

Die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Trier-Saaburg, Anne Hennen (am Rednerpult, und ihre Kolleginnen und Unterstützerinnen bei der Premiere der Ausstellung über 100 Jahre Frauenwahlrecht im März 2018 in der Trier-Saarburger Kreisverwaltung. Foto: Martina Bosch

Foto: Martina Bosch

Die Wähler in der Stadt Trier zeigten sich schon 1919 offen für Änderungen. Schon bei der ersten Kommunalwahl mit aktiver und passiver weiblicher Beteiligung am 23. November 1919 zogen gleich fünf Frauen in die Stadtverordnetenversammlung ein. Die Geschichte dieser fünf ersten Trierer Stadträtinnen hat die Historikerin Tamara Breitbach erforscht und 2016 in einem Artikel für den TV zusammengefasst. Vier der Frauen, Maria Schmidt (Oberlehrerin),  Margarethe von Bertrab, Sophie Thiel (Putzmachermeisterin) und Anna Lehnert (Textilarbeiterin) hatten laut Breitbach für die katholische Partei Zentrum kandidiert. Die Schneiderin Katharina Mumm war Mitglied der SPD.

Im Trierer Umland hatten es die Frauen laut dem Aufsatz von Hennen schwerer. Damals gab es den Kreis Trier-Land, zu dem einige heutige Trierer Stadtteile wie Ehrang, Zewen oder Quint gehörten, und den Kreis Saarburg. Der Saarburger Kreistag blieb bis 1947 rein männlich. In Trier-Land schafften es laut der Trier-Saarburger Gleichsstellungsbeauftragten immerhin zwei Frauen schon in den 1920er Jahren in den Kreistag: Maria Blesius aus Naurath/Eifel  1924, eine Frau Schneider (Vorname unbekannt), geborene Feller aus Ehrang folgte 1928. Zu diesen Politikerinnen ist bisher laut Hennen nichts weiter bekannt.

Die Entwicklung Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gab es dann auf allen Ebenen Frauen in der Politik – zuerst wenige, dann immer mehr. Die erste Frau in der Kreisversammlung Saarburg war eine Lehrerin aus Konz: Katharina Simon (CDU). In das Gremium für Trier-Land und die Stadt Trier zogen zwei Frauen ein: Ärztin Martha Lanwer (SPD) und Annelotte Rüdel (Zentrum).  Im Lauf der Zeit bekommen Frauen dann immer wichtigere Posten in der Bundesrepublik.

Die aktuelle Situation Aus Hennens Sicht sind Frauen auch heute in der Politik bei weitem nicht optimal repräsentiert. Ein Musterbeispiel dafür ist das Wahlergebnis für den neuen Verbandsgemeinderat Saarburg-Kell: Dort sind von 40 Ratsmitgliedern nur sechs weiblich (15 Prozent). Hennens Kommentar dazu: „Traurig, traurig!“ Die Frauenquote im Kreistag Trier-Saarburg liegt bei 21,7 Prozent, die im Stadtrat Trier bei 41 Prozent. Im Schnitt liegt sie laut Hennen in den Verbandsgemeinderäten und anderen Gremien im Kreis Trier-Saarburg bei etwa 20 Prozent. Es gibt sogar immer noch einige Räte, die ganz ohne Frauen auskommen – zum Beispiel in Heddert, Schömerich, Vierherrenborn oder Merzkirchen (alle Verbandsgemeinde Saarburg-Kell). „Das liegt auch daran, dass sich die Frauen nicht trauen“, sagt Hennen. Zum Teil gefalle ihnen aber auch der Politikstil nicht. Ihr Fazit: „Insgesamt muss es mehr Wertschätzung geben für das politische Ehrenamt.“

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