Archäologie Neue Funde in Trier: 750 Gräber und zwei Überraschungen

Trier · Archäologische Grabungen im Vorfeld zweier Bauprojekte in der Trierer Paulinstraße lassen tief in die Römerzeit blicken. Chefarchäologe Joachim Hupe ist von den neuen Erkenntnissen begeistert.

 Jede Öffnung im Boden eine Bestattung: Bis in 3,50 Meter Tiefe haben sich die Archäologen des Landesmuseums auf den Grundstücken Paulinstraße 20 bis 24 und 10/12 (Foto) in die römische Vergangenheit hineingearbeitet. Hier befand sich in der Antike das nördliche Gräberfeld Triers.

Jede Öffnung im Boden eine Bestattung: Bis in 3,50 Meter Tiefe haben sich die Archäologen des Landesmuseums auf den Grundstücken Paulinstraße 20 bis 24 und 10/12 (Foto) in die römische Vergangenheit hineingearbeitet. Hier befand sich in der Antike das nördliche Gräberfeld Triers.

Foto: Trierischer Volksfreund/Roland Morgen

Es dürften insgesamt einige Hunderttausend Menschen gewesen sein, die, über ein knappes halbes Jahrtausend verteilt, im römischen Trier gelebt haben. Und gestorben sind. Und im Normalfall ordnungsgemäß beigesetzt wurden. Rund 5000 Bestattungen aus Triers Römerzeit sind heute bekannt. Etwa 750 davon sind bei den beiden großen archäologischen Grabungen der letzten beiden Jahre in der Paulinstraße entdeckt worden. Kein Zufall, denn in beiden Fällen  – ehemaliges Friedrich-Gelände (Paulinstraße 20-24) und Areal des früheren Lebensmittelmarktes Vema (Paulinstraße 10 und 12) – gruben die Archäologen mitten auf dem nördlichen der beiden großen antiken Gräberfelder.

Nach Abschluss der zweiten Grabungskampagne  spricht Joachim Hupe (53), Chefarchäologe im Rheinischen Landesmuseum, jetzt von einer „sehr reichen Ausbeute, die über den Erwartungen liegt“. Zumal die obersten und damit jüngsten römischen Friedhofsschichten bereits im Mittelalter „abrasiert“ wurden. Fragmente von Grabdenkmälern, Inschriftentafeln, Mauersteine – alles wurde an anderer Stelle als Baumaterial recycelt.

Was das Grabungsteam unter Leitung von Albert Hill zutage förderte, ist älter: Die rund 750 Menschen, deren sterbliche Überreste gefunden wurden, starben in den Jahren zwischen 30 und 230 nach Christus. Die Anzahl der Brandbestattungen (bei denen der Leichenbrand in Urnen beigesetzt wurde) und der Körpergräber (Leichnam in Tuch oder Holzkiste beerdigt) hält sich die Waage. Das erlaubt Rückschlüsse:  „Das waren wohl Menschen, deren Angehörige sich die damals übliche Feuerbestattung nicht leisten konnten“, vermutet Joachim Hupe. Aber gerade die „armen“ Toten sind heute die aus wissenschaftlicher Sicht wertvollsten. Die auf Scheiterhaufen Verbrannten können ihre Geschichte nicht mehr mitteilen. Wohl aber diejenigen, deren Skelette zum Teil erstaunlich gut erhalten sind – und mitunter gerade deshalb Rätsel aufgeben. So gab es einige Gräber, in denen offenbar Mutter und Kleinkind lagen. Und einige, in denen noch mehr  gemeinsam Bestatte ihre letzte Ruhe fanden. In einem Fall waren es sogar sieben.

Auf die Schnelle können diese Rätsel nicht gelüftet werden. Alle  Hinterlassenschaften von Urnen über Knochen bis hin zu Grabbeigaben wie Ölfläschchen sowie die vergleichsweise wenigen gefundenen Münzen und Keramikscherben wandern fein säuberlich in insgesamt 500 Holzkisten verpackt erst einmal ins Depot des Landesmuseums. Dort harren sie der wissenschaftlichen Auswertung. Hupe: „Das ist Stoff für gleich mehrere Doktorarbeiten oder ein Forschungsprojekt.“

Das Graben nach Gräbern hat auch zwei überraschende Erkenntnisse gebracht. Zum einen: Auf dem Verma-Areal muss im Mittelalter  ein stattliches Gehöft gestanden haben. Das schließen die Archäologen aus den gefundenen Resten eines gemauerten Kellers. Angelegt worden sein dürfte er im 13. oder 14. Jahrhundert, im 15. Jahrhundert wurde er aufgeben.  Bisher ist man davon ausgegangen, dass sich zwischen Antike und Neuzeit hier nur Äcker und Weiden befunden haben.

Zweite Überraschung: Entgegen aller Erwartungen wurde die von der nahegelegenen Porta Nigra kommende Ausfallstraße Richtung Rhein nicht gefunden, stattdessen eine planierte Fläche aus dem 3. oder 4. Jahrhundert („möglicherweise eine Art Friedhofsvorplatz“) und einige Meter davon entfernt am äußersten Rand der  Grabung eine große Platte aus Langsurer Muschelkalk. Eigentlich der typische Belag der Hauptstraßen des römischen Trier. Aber Hupe zeigt sich skeptisch: „Eine Platte macht noch keine Straße.“

 Auch im Tod einander nah: zwei Skelette in einem Grab.

Auch im Tod einander nah: zwei Skelette in einem Grab.

Foto: Trierischer Volksfreund/Roland Morgen
 Begleiter für die letzte Reise: Öllämpchen mit  Löwen-Motiv  – eine von zahlreichen kleinen Grabbeigaben, die an der Paulinstraße entdeckt wurden.

Begleiter für die letzte Reise: Öllämpchen mit  Löwen-Motiv  – eine von zahlreichen kleinen Grabbeigaben, die an der Paulinstraße entdeckt wurden.

Foto: Trierischer Volksfreund/Roland Morgen
 Was vom Leben übrig blieb: Das Fundmaterial wandert, in Holzkisten verpackt, ins Depot  des Rheinischen Landesmuseums.

Was vom Leben übrig blieb: Das Fundmaterial wandert, in Holzkisten verpackt, ins Depot  des Rheinischen Landesmuseums.

Foto: Trierischer Volksfreund/Roland Morgen

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