Geschichte Anders sein heißt gefährlich leben

SAARBURG · Eine Ausstellung in der Kulturgießerei zeigt die Verfolgung und Diskriminierung Homosexueller von der Weimarer Republik bis in die Nachkriegszeit. Bei der Eröffnung wurde aus einem Bericht eines Betroffenen vorgelesen, der unter die Haut ging.

 Ergreifend: Vincent Maron, der die Ausstellung auch entwickelt hat, liest aus dem Buch eines ehemaligen homosexuellen KZ-Insassen.

Ergreifend: Vincent Maron, der die Ausstellung auch entwickelt hat, liest aus dem Buch eines ehemaligen homosexuellen KZ-Insassen.

Foto: Herbert Thormeyer

Es ist eines der umstrittensten Gesetze überhaupt, der Paragraf 175, der männliche Homosexualität in Deutschland bis 1994 unter Strafe gestellt hat. Wie sich die Verfolgung von Schwulen entwickelt hat, zeigt die Ausstellung „Anders? – Verfolgung und Diskriminierung von Homosexuellen unter dem Paragraf 175, Teil I 1900 bis 1960“ in der Kulturgießerei Saarburg. Die Schau, zu der das schwul-lesbische Zentrums Schmitz Trier in Zusammenarbeit mit der Kulturgießerei und dem Bundesprogramm Demokratie leben einlädt, zeigt auch die Entwicklung von der der Weimarer Republik bis in die Nachkriegszeit.

Der Gestalter der Ausstellung, Vincent Maron vom Schmitz, erklärte: „Die Männer mit dem rosa Winkel waren im KZ deutlich von anderen Häftlingen zu unterscheiden.“ Bei der Ausstellungseröffnung ging es nicht nur darum, Fotos und Texte anzusehen, sondern es wurden auch Textpassagen aus dem Buch eines Betroffenen gelesen. Der  Österreicher Hans Neumann, der sich nur traute unter einem Pseudonym zu veröffentlichen, beschrieb ein Verhör – ja sogar eine Foltersituation mit Todesfolge.

Staatssekretärin Christiane Rohleder vom Mainzer Ministerium für Jugend und Familie zeigte sich ergriffen: „Jetzt kann ich mich nicht mehr an mein vorbereitetes Manuskript halten.“ Die emotionale Ebene sei ebenso wichtig wie die offizielle Aufarbeitung dieser Ereignisse. Es seien so viele Leben zerstört worden, bis hin zu zahlreichen Selbstmorden. Mit der Ehe für alle habe man schon viel erreicht, aber totale Gleichberechtigung gebe es immer noch nicht, zum Beispiel was die Rolle der Frau betreffe.

„Die Ausstellung ist eine Mahnung, jeder menschenfeindlichen Bestrebung entschlossen entgegenzutreten und sie durch Akzeptanz zu ersetzen“, fordert Rohleder. Es gehe immerhin um rund zehn Prozent der Bevölkerung.

Alex Rollinger, Leiter des Schmitz in Trier, sagte: „Die Erinnerung wachzuhalten ist bis heute unheimlich wichtig.“ Er forderte Solidarität nicht nur für Homosexuelle, sondern für alle Minderheiten und Glaubensrichtungen. Die aktuellen Beispiele von Aggression gegen Menschen, die eine jüdische Kippa tragen, zeigten, wie wichtig dies sei. Es gebe immer noch zu viele Opfergruppen.

Die Geschäftsführerin der Kulturgießerei, Anette Barth, las aus dem Buch des Zeitzeugen vor. Sie schloss mit dessen Worten: „Ich habe noch lange Alpträume. Der Fortschritt der Menschheit hat uns vergessen.“ Für das Saarburger Mehrgenerationenhaus gelte dies nicht, ergänzte Barth. Dort herrsche bunte Vielfalt in allen Aktionen und zwar aus tiefster Überzeugung.

Die Ausstellung ist bis Mittwoch, 30. Mai, in der Kulturgießerei zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 9 bis 17 Uhr, Samstag, Sonntag, Feiertag 11 bis 17 Uhr.

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