Diskussion über Kirche und Glaube Biblische Botschaft statt Anweisungen

KYLLBURG · Mit der Frage nach der Zukunft von Glaube und Kirche haben sich die Teilnehmer einer Diskussionsrunde auf dem Kyllburger Stiftsberg auseinandergesetzt. Dabei gab es auch Selbstkritik.

 Mehr als 100 Teilnehmer verfolgen die Diskussionsrunde im Hörsaal des Bildungshauses auf dem Kyllburger Stiftsberg.

Mehr als 100 Teilnehmer verfolgen die Diskussionsrunde im Hörsaal des Bildungshauses auf dem Kyllburger Stiftsberg.

Foto: Uwe Hentschel

„Aus meiner Sicht gibt es Gott nicht“, sagt Stephanie Stoller aus Oberkail, ergänzt aber, dass das auch nur ihre „bescheidene Meinung“ sei. „Vielleicht gibt es Gott, vielleicht auch nicht“, sagt Stoller, „das spielt für mich aber auch keine Rolle.“ Sie habe sich mit dieser Frage befasst und sei dabei für sich zu der Erkenntnis gekommen, dass Glaube und Kirche für sie keinerlei Bedeutung hätten.

Dieses Statement der 34-Jährigen sitzt. Und es lässt direkt zum Beginn der Veranstaltung keinen Zweifel daran aufkommen, dass dem Organisator Dechant Klaus Bender nicht an einem gemütlichen Palmsonntag-Kaffeekränzchen, sondern an einem kontroversen Austausch gelegen ist. Haben Kirche und Glaube eine Zukunft? Mit dieser Frage beschäftigen sich neben Stoller und Bender in der von Herbert Fandel moderierten Diskussionsrunde auch noch drei weitere Teilnehmer: Pater Christoph Mingers, Rektor des Exerzitienhauses St. Thomas, die ebenfalls aus St. Thomas stammende Pflegepädagogin Sathia Heinicke sowie Damian Schwickerath, stellvertretender Chefredakteur des Trierischen Volksfreunds.

Schwickerath ist „felsenfest davon überzeugt, dass da oben einer ist“, betont auch die Bedeutung des Glaubens für sein Leben, testiert der Kirche aber Probleme bei der Vermittlung des Glaubens und ihrer Glaubwürdigkeit. Wobei letzteres auch schwer sei, wie der Redakteur betont. Bestes Beispiel dafür sei die Missbrauchs-Konferenz in Rom. „Der Mann (gemeint ist der Papst) war schlecht beraten“, so Schwickerath. Die Erwartungshaltung an diese Konferenz sei so hoch gewesen, dass die katholische Kirche dabei nur habe verlieren können. Auch Bischof Ackermann mache als Missbrauchsbeauftragter einen durchaus guten Job, sagt Schwickerath. „Ich glaube aber, Ackermann hatte nicht die geringste Ahnung, was da auf ihn zukommt.“

Für die Missbrauchsfälle und grässlichen Verbrechen von Geistlichen habe er keine Erklärung, sagt Pater Christoph Mingers. Unabhängig davon habe die katholische Kirche aber hierzulande ein grundsätzliches Problem. „Uns fällt heute auf die Füße, dass über Generationen hinweg die Verkündung der biblischen Botschaft mit moralischen Anweisungen verwechselt wurde“, sagt Mingers. Und wenn man einen Blick auf den Inhalt der Predigen werfe, so stelle man fest, dass sich daran in vielen Fällen noch nichts geändert habe. „Wir haben den Leuten jahrelang gepredigt, was sie zu tun haben – und das mit einer ziemlichen Arroganz“, sagt auch Dechant Bender. „Und das schlägt jetzt zurück.“

„Damit die Kirche eine Zukunft haben kann, muss sie offener werden“, meint Sathia Heinicke. Es gebe bereits Veränderungen in diese Richtung, so Heinicke, doch komme die Kirche dabei insgesamt nur sehr schleppend voran. „Ich bin offen für den Glauben, und der Glaube hat mir in vielen Bereichen auch schon geholfen“, sagt die Pflegepädagogin. Nur tue sich die Kirche schwer damit, diesen Glauben zu vermitteln.

„Die meisten hier von uns bezeugen, dass sie einen Glauben haben. Die Frage ist nur, wie dieser Glaube transportiert wird“, sagt Moderator Fandel. „Wird die Kirche also ihrer Aufgabe nicht gerecht?“ Für den Pater aus St. Thomas trifft das in weiten Teilen zu. Kirche mache sich viel zu sehr zum Thema dessen, was sie transportiere. „Wir diskutieren zu sehr über die Verpackung, aber zu wenig über den Inhalt“, sagt Mingers. Er sehe die Kirche als „das Transportmittel der biblischen Botschaft“.

Angesichts der Tatsache, dass die Institution Kirche dieser Aufgabe allem Anschein nach  in vielen Fällen nicht gerecht wird, taucht in der Diskussionsrunde, die von mehr als 100 Zuschauern aufmerksam verfolgt wird, schließlich die Frage nach der Notwendigkeit auf. „Brauchen wir die Kirche wirklich? Brauchen wir die Gebäude und die ganzen Richtlinien?“, möchte Stoller wissen.

„Wir werden als Kirche respektiert, aber es ist auch nichts Ansteckendes dabei“, meint dazu der leitende Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Kyllburg, Bender. „Müssten wir unsere Botschaft in zwei knappen Sätzen formulieren, kämen wir ganz schön ins Schwitzen“, so der 65-Jährige. Zudem müsse er immer wieder feststellen, dass gestandene alte Menschen zu Gott beteten wie kleine Kinder und auch eine dementsprechende Vorstellung von Gott hätten. „Unser Gottesbild muss erwachsen werden“, sagt Bender.

 Damit Kirche eine Zukunft habe, müsse sie offener werden, meint Sathia Heinicke (links). Dechant Klaus Bender (stehend) ist der gleichen Meinung.

Damit Kirche eine Zukunft habe, müsse sie offener werden, meint Sathia Heinicke (links). Dechant Klaus Bender (stehend) ist der gleichen Meinung.

Foto: Uwe Hentschel

Die Vorstellung darüber, wie Gott aussieht, ist das eine. Sein Handeln das andere. Sie habe ein Problem damit, Gott nach dem Essen für die Mahlzeit zu danken, während es anderswo viel Hunger, Leid und Elend gebe und Gott das einfach zulasse, sagt die Diskussionsteilnehmerin aus Oberkail. „Wenn eine Frau mit 40 Jahren an Krebs stirbt und man fragt: ,Warum?’, dann kann man das nicht beantworten, ohne dass es peinlich wird“, sagt dazu Bender. „Ich glaube, dass Gott auch eine ohnmächtige Seite hat. Und diese Ohnmacht ist ein Stück weit der Preis für unsere Freiheit.“

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