Stadtentwicklung Kommt jetzt Leben in die Buden?

Binsfeld/Speicher · Ein Münchener Investor hat vor mehr als einem Jahr die Housing-Gelände in Binsfeld, Speicher und Baumholder gekauft. Seitdem hat sich in den einst verfallenen Siedlungen einiges getan.

 Schon ganz wohnlich: In der Speicherer Housing hat sich einiges getan.

Schon ganz wohnlich: In der Speicherer Housing hat sich einiges getan.

Foto: TV/Christian Altmayer

Silvie hat keinen Nachnamen. Zumindest nicht für ihre Mieter. „Ich bin mit allen per du. Frau King nennt mich keiner“, sagt die Dame, die ihren königlichen Familiennamen der Heirat mit einem Amerikaner verdankt. Die Ehe ist  geschieden. Mit Menschen aus den USA hat King aber nach wie vor zu tun – und das jeden Tag. Seit gut sechs Jahren ist sie die gute Seele der ehemaligen Housing-Gelände in Speicher, Binsfeld und Baumholder. Sprich: „Vermieterin, Eventmanagerin und Hausmeisterin in einem.“

Die Tür zu ihrem Büro steht ihren Mietern offen – auch, wenn die manchmal nur vorbeikämen, um sie um eine Zigarette zu bitten. Ihr Arbeitsplatz liegt gleich neben ihrer Wohnung in einem der Quartiere am Rande der Töpferstadt. Und sie weiß auch genau, wer in der 135, in der 210 oder der 76 lebt: „Ich erkenne die Leute am Telefon schon an der Art, wie sie ‚Hallo’ sagen.“

Mehrmals täglich drehe sie oder ihr Kollege Klaus Kohlert Runden durch das Areal: „Klaus ist seit 30 Jahren hier. Er kennt jede Schraube, jeden Stein.“ An den Nachmittagen schauen sie nach dem Rechten. Abends – vor allem am Wochenende – nehmen sie die Amerikaner mit zu Ausflügen. Da fährt King dann mit den Frauen zum Schuhe-Kaufen nach Trier, Kohlert mit den Männern auf die Wittlicher Säubrennerkirmes.

Die beiden sind aber auch Ansprechpartner, wenn es Probleme gibt – etwa mit dem Zustand der Wohnungen. Doch Beschwerden gebe es seltener, seit die Münchener Aktiengesellschaft „GIEAG Immobilien AG“ die drei Housing-Gelände übernommen habe (der TV berichtete). Mit Kings neuem Arbeitgeber habe sich einiges geändert.

Das „kleine Paradies“: Das bestätigen auch Mieter beim Rundgang durch die Straßen: „Seit die Bayern am Ruder sind, tut sich was“, sagt der eine. „Die bringen alles auf Vordermann“, der andere. Das habe auch Thomas Görlich erlebt, meint er: „Bevor wir eingezogen sind, haben die im Haus alles neu gemacht.“ Im März ist er mit seiner Familie in die Siedlung gezogen. Doch er wisse bereits:  „Ich geh hier nicht mehr weg. Das ist ein kleines Paradies.“ Auf Silvie könne man zählen, die Häuser seien top.

Görlich scheint nicht der Einzige zu sein, der sich in Speicher wohlfühlt. Das Leben ist zurückgekehrt in die Siedlung. Die Rollläden sind oben, die Vorgärten gepflegt. Spielgeräte und Grills stehen vor den Häusern. Autos brummen durch die Straßen, Mieter sonnen sich, sitzen zusammen und plaudern.

Die Vergangenheit: Das war nicht immer so. Bevor der Großinvestor die Areale für rund 17 Millionen Euro gekauft hat, verfielen sie zusehends. Die Häuser in Speicher sind Baujahr 1988. Sie wurden für die Soldaten der US-Air-Force gebaut und jahrelang von ihnen bewohnt. Bis das Pentagon 2010 eine Anordnung erließ. Aus Angst vor Anschlägen sollten die Militärs nicht mehr zentral in einer Housing wohnen, sondern sich auf vereinzelte Wohnungen im Umland verteilen. Als die meisten Amerikaner dann gingen, wurde es für den Voreigentümer zunehmend schwieriger, die Gebäude zu füllen. In den letzten Jahren vor dem Verkauf an die Münchener wurden der Leerstand und der Sanierungsstau immer größer.

Bei der Übernahme durch die Aktiengesellschaft seien dann noch weniger als 40 Prozent der Immobilien in Speicher, Binsfeld und Baumholder belegt gewesen, sagt Thomas Digeser, ein Mitglied der Geschäftsleitung der GIEAG. Inzwischen sei man bei 63 Prozent.

Die größten Fortschritte habe man in Baumholder, im Landkreis Birkenfeld, gemacht, sagt Digeser: „Da lag am Anfang unser Schwerpunkt. Und wir glauben, dass wir da bis 2019 fertig sein werden.“ Das heiße aber nicht, dass in Binsfeld und Speicher nichts passiert sei. Den jahrelangen Sanierungsstau habe man in 15 Monaten zwar nicht aufholen können. Aber das Unternehmen habe einige der Gebäude und auch einen Teil der Außenanlagen saniert.

Die Gegenwart: Und das sieht man. Seit dem letzten Besuch des TV  hat sich in Speicher was getan. Es gibt ein paar Blumentöpfe mehr, ein paar Bänke, ein paar Mülleimer. Die Bäume sind geschnitten, das Unkraut gezupft. Am Basketballfeld stehen ein neuer Zaun und ein neuer Korb. Doch von innen hat sich das einst vergessene Viertel noch stärker verändert. Ein Blick hinter die Fassaden:

Es riecht nach frischer Farbe. Die Wände: weiß wie Schnee, das Laminat: dunkel wie Ebenholz. An den Decken blitzen Lampen aus Chrom. Große Fenster bieten einen Ausblick über die Felder rund um die Töpferstadt. Doch noch immer gibt es Wohnungen im Viertel, die auf dem Stand der späten Achtziger sind. Sylvia King schließt zum Vergleich eine von ihnen auf: Der Vinylboden klebt unter den Fußsohlen. Die Wände sind fleckig und in einem undefinierbaren Farbton zwischen grün und braun gestrichen. An einigen Stellen blättert die Tapete ab. Der Teppichboden im Wohnzimmer hat sich vollgesogen mit Flüssigkeiten, die hier verschüttet wurden – dunkle Lachen auf dem Stoff.

„Das kommt alles raus“, sagt Digeser. Und Laminat kommt rein. Neue Lampen werden verkabelt, Fenster und Türen getauscht. Und die Wände bekommen einen Anstrich. Zu haben ist so eine Sanierung für zehn bis fünfzehn Tausend Euro. Und sie dauert etwa 14 Tage. „Klar, dass wir nicht alles auf einen Schlag machen können. Die Renovierung der Wohnungen läuft peu à peu“, sagt Digeser. Wenn es eine Anfrage für eine Wohnung gebe, richteten lokale Handwerker oder Mitarbeiter der Firma sie her. Wenn es keine Anfrage gibt, wird auch nicht saniert.

Die Zukunft: Es gebe schließlich keinen Grund zur Eile. Mit einem Ansturm von Mietern rechnet Digeser frühestens in sechs Jahren. Für 2024 ist der Umzug einer amerikanischen Spezialeinheit von einer Air-Base vom britischen Mildenhall nach Spangdahlem angesetzt (der TV berichtete). Digeser hofft, dass die rund 1200 Soldaten sich für seine Housing-Gelände interessieren werden. „Ohne Amerikaner klappt das mit der Vollvermietung nicht“, meint er: „Nur mit Amerikanern aber auch nicht.“ Der Plan: Bis 2025 will die GIEAG dieses Ziel aber erreichen, alle Zimmer und Häuser vermittelt haben – egal ob an Hans Müller oder John Smith.

Am schwierigsten dürfte das in Binsfeld werden. Hier habe sich bislang am wenigsten getan. Das liege daran, so Digeser, dass dort die Nachfrage nach Wohnungen bislang zu wünschen übrig lasse. Auch King sagt: „Ich zeige den Amerikanern die Häuser in Binsfeld. Die wollen dann aber lieber nach Speicher“ – wegen der „Malls“, auf Deutsch: Einkaufszentren, die sie im Dorf vermissten.

 Schon ganz wohnlich: In der Speicherer Housing hat sich einiges getan.

Schon ganz wohnlich: In der Speicherer Housing hat sich einiges getan.

Foto: TV/Christian Altmayer
 Vorher (links) und nachher: Etwa 10 000 Euro kostet es aus einer veralteten Wohnung eine moderne zu machen.

Vorher (links) und nachher: Etwa 10 000 Euro kostet es aus einer veralteten Wohnung eine moderne zu machen.

Foto: TV/Christian Altmayer
 Vorher und nachher: Etwa 10 000 Euro kostet es aus einer veralteten Wohnung eine moderne zu machen.

Vorher und nachher: Etwa 10 000 Euro kostet es aus einer veralteten Wohnung eine moderne zu machen.

Foto: TV/Christian Altmayer

Es gebe zwar einen leichten Anstieg in der Nachfrage, aber noch entwickle sich die Siedlung am Rande des Ortes im Wittlicher Land schlechter als die in Speicher und Baumholder. Digeser glaubt aber, dass sich das ändern wird. Ein Verkauf der Binsfelder Housing sei jedenfalls nicht geplant.

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