Soziales Zufluchtsort für Opfer von Gewalt
Region · Die Nordeifel ist im Gespräch als Standort für ein weiteres Frauenhaus. Der Bedarf wird auch in Mainz gesehen.
Sandra wusste, was passieren würde. Er war nach der Arbeit nicht gleich nach Hause gekommen und hatte wohl wieder getrunken. Und Timmys Roller lag noch in der Einfahrt. Und er duldete keine Unordnung. Aber er würde immer einen Grund finden, das war Sandra in den letzten Monaten ihres Martyriums klar geworden. Mit der Wucht seines ersten Schlags hatte sie nicht gerechnet. Er wurde immer aggressiver. Wenn nur ihr Sohn und die Nachbarn nichts mitbekommen. Dass sie ihren gewalttätigen Ehemann verlassen musste, wurde Sandra spätestens nach dieser Attacke endgültig klar. Doch wo sollten sie und Timmy hin – hier in der Eifel - ohne Auto und ohne Geld?
Dieser Fall ist zwar eine fiktive Geschichte, doch vergleichbare Frauenschicksale gibt es zuhauf, wie die Gleichstellungsbeauftragte des Eifelkreises Bitburg-Prüm, Marita Singh, weiß.
„Seit ich vor 19 Jahren hier angefangen habe, hat mich das Thema Frauen und Gewalt immer wieder eingeholt“, sagt Singh. „So was gibt es in der Eifel doch nicht“, hatte ihr damaliger Vorgesetzter noch gezweifelt. „Doch, auch hier in der Eifel“, hatte Singh ihm widersprochen.
Seitdem ist viel geschehen, um Frauen bei Gewalt in engen sozialen Beziehungen zu helfen. Staatliche und nichtstaatliche Einrichtungen können gemeinsam eingreifen, denn das Problem wird als gesellschaftliche Aufgabe angesehen und nicht länger als privates Schicksal hingenommen.
Seit dem Jahr 2000 gibt es das ressortübergreifende rheinland-pflälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen (RIGG). Das Gewaltschutzgesetz ist seit 1. Januar 2002 in Kraft. Ferner gibt es im Land 16 Interventionsstellen – unter anderem in Trier und in der Eifel die Interventionsstelle Eifel Mosel des Caritasverbands Westeifel, die für die Landkreise Bernkastel-Wittlich, Cochem-Zell, Eifelkreis Bitburg-Prüm und den Vulkaneifelkreis zuständig ist mit Büros in Bitburg, Prüm und Daun.
Am Runden Tisch gegen Gewalt Eifel beteiligen sich etwa 60 Vertreter der mit den Problemen beschäftigten Stellen von Amtsgericht bis Polizei und Weißer Ring. Der Runde Tisch ist für die Kreise Bernkastel-Wittlich, Eifel- und Vulkaneifelkreis zuständig. Und seit fast 25 Jahren bietet das Frauenhaus Trier Schutz für von Gewalt bedrohte Frauen – und ihre Kinder.
„Wir haben mittlerweile eine gute Beratungsstruktur“, sagt Marita Singh. Dennoch bleibe viel zu tun, denn das Frauenhaus in Trier sei ständig überbelegt. Unser erfundenes Opfer Sandra und ihr kleiner Sohn wären am besten in einem Frauenhaus untergebracht. Ihre Chancen, in der Einrichtung unterzukommen, sind in Trier aber äußerst gering. „Grundsätzlich nehmen wir jede Frau auf“, betont Diplompsychologin Ina Wagner-Böhm im TV-Gespräch in der Beratungsstelle des Frauenhauses. „Neun Frauen aus dem Eifelkreis konnten aber im letzten Jahr nicht aufgenommen werden, weil wir voll belegt waren und sind“, ergänzt Diplompädagogin Sunna Ewen. Neun Hilfesuchenden aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich, vier aus dem Kreis Cochem-Zell und einer aus dem Landkeis Vulkaneifel ging es genauso. Sie wurden auf andere Frauenhäuser verteilt.
Ewen und Wagner-Böhm arbeiten im Team von acht Kolleginnen unmittelbar mit den Schutzsuchenden. Die Einrichtung in Trier, deren Standort geheim bleiben soll, bietet nur Platz für sieben Frauen mit ihren Kindern. „Das Frauenhaus ist immer auch ein Kinderhaus“, sagt Wagner-Böhm über die Einrichtung, die im Einzugsbereich Mosel/Eifel/Hunsrück die einzige ist. „Bei der Verteilung der Häuser besteht in Rheinland-Pfalz eine Unwucht.“ In Richtung Westerwald und Pfalz gebe es eine höhere Dichte. Die Vollbelegung sei auch eine Folge des Wohnungsmangels, die Wohnungssituation sei in Trier katastrophal.
„Der Norden der Eifel wäre prädestiniert für eine weitere Einrichtung“, betont Sunna Ewen schließlich. Auch der Runde Tisch Eifel begrüßt einhellig, dass die Eifel als möglicher Standort im Gespräch ist, und sichert seine Unterstützung zu. Das hat Marita Singh auch nach Mainz so weitergegeben. Beim Besuch der Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Bitburg hat die Gleichstellungsbeauftragte zudem die Regierungschefin direkt auf die Probleme aufmerksam gemacht, wie sie sagt. Der Bedarf für ein weiteres Frauenhaus in der Region wird auch in der Landeshauptstadt nicht infrage gestellt. Auf TV-Anfrage an das Ministerium für Familien, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz wird zwar betont, dass dass Land mit 17 Frauenhäusern gut aufgestellt sei – im Vergleich zu anderen Bundesländern. „Gleichwohl sehen wir weiteren Bedarf im Norden von Rheinland-Pfalz und streben die Einrichtung eines zusätzlichen Frauenhauses an“, heißt es schriftlich aus Mainz. Im kommenden Doppelhaushalt 2019/2020 könnte die finanzielle Ausstattung dafür sichergestellt werden. Die Landesregierung wird Ende August über die Regierungsvorlage und die finanziellen Planungen für 2019/2020 entscheiden. Das letzte Wort hat der Landtag.