Studie Terror, Konflikte, Gesundheit: Deutsche schätzen Risiken falsch ein

Trier · Am meisten fürchten sich Bundesbürger vor Anschlägen. Doch diese Sorge ist nach Meinung von Forschern übertrieben. Eher würden Menschen an den Folgen schlechter Ernährung sterben.

 Symbolbild Ängste

Symbolbild Ängste

Foto: dpa-tmn/Franziska Gabbert

Die meisten Menschen schätzen Risiken falsch ein, sagen Wissenschaftler. So hatten Deutsche 2017 einer Studie der R+V-Versicherung zufolge am meisten Angst vor Terrorismus und Extremismus, vor Konflikten durch den Zuzug von Ausländern, vor den Folgen der EU-Schuldenkrise und vor Schadstoffen in Nahrungsmitteln.

Experten wie der international bekannte Risikoforscher Ortwin Renn verdeutlichen, wie unbegründet solche Sorgen sind. Man müsse hinterfragen, wie viele Menschen wirklich betroffen seien, sagt der Autor des Buches „Das Risikoparadox – Warum wir uns vor dem Falschen fürchten“. Sei es, wenn man ganz nüchtern die Statistiken betrachtet, doch ziemlich unwahrscheinlich, von Terroristen getötet zu werden oder wegen Schadstoffen in Lebensmitteln an Krebs zu erkranken.

Vor anderen Risiken hingegen verschließen viele Menschen die Augen. Risiken, die nachweislich eine echte Bedrohung darstellen. „Es gibt vier Volkskiller“, sagt der Sozialpsychologe im TV-Interview. Diese seien für fast zwei Drittel aller vorzeitigen Todesfälle in Deutschland verantwortlich: Es geht um Rauchen, Alkohol, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel. In der Region kostet das Rauchen besonders viele Menschenleben: Ein Report der Evangelischen Lungenklinik Berlin zeigte, dass Trier bundesweit zu den Städten mit der höchsten Lungenkrebsrate zählt. Bei Frauen ist es sogar die Stadt mit der höchsten Quote. Eine Studie von Gesundheitsamt und Uni Trier offenbarte, dass die günstigen Tabakpreise in Luxemburg schuld sind.

Obwohl die Risiken bestens bekannt sind, machen die meisten weiter wie immer. Warum? „Das sind Risiken, mit denen wir vertraut sind. Und Vertrautes glauben wir kontrollieren zu können“, sagt Renn. Zudem treten die negativen Folgen nicht unmittelbar ein, sondern irgendwann in der Zukunft.

Auch Forscher des Kölner Instituts für Versicherungswesen warnen davor, dass die Fehleinschätzung von Risiken Folgen hat, weil Menschen „irrationale Entscheidungen“ treffen und wesentliche Gefahren des Alltags nicht absichern. Die repräsentative Studie über die Wahrnehmung von Alltagsrisiken zeigt, dass nur die wenigsten in der Lage sind, statistische Wahrscheinlichkeiten zu verstehen. Dramatische Ereignisse wie Flugzeugabstürze, tödliche Autounfälle oder Terroranschläge lösen überzogene Ängste aus.

Bei Risiken, die das positive Selbstbild gefährden, neigen Menschen dazu, ihre Einflussmöglichkeit zu überschätzen und davon auszugehen, dass solche Dinge nur „den anderen“ passieren: Dazu zählen Alkoholsucht, der Verlust der Fahrerlaubnis, psychische Erkrankungen, Scheidung oder Ärger mit dem Gesetz.

Häufig verdrängt werde das Risiko, berufsunfähig oder zum Pflegefall zu werden. Und stark unterschätzt jenes von Sachschäden an Auto oder Wohnung oder von Rechtsfällen aller Art. Die Wissenschaftler raten, sich von Katastrophenmeldungen nicht verunsichern zu lassen und die Vergangenheit nicht zu verklären. Denn vieles habe sich im Vergleich zu früher gebessert: Es gibt deutlich weniger Gewaltverbrechen, Arbeitslose und tödliche Verkehrsunfälle. Zudem haben sich die Lebensbedingungen weltweit deutlich verbessert.

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