Umwelt Eine Galgenfrist für Deutschland

Im Streit um schlechte Luft bestellt die EU-Kommission Umweltministerin Barbara Hendricks zum Rapport, bevor sie über eine Klage entscheidet.

 In etlichen deutschen Städten ist die Luft zu schlecht. Die EU-Kommission verlangt erneut Gegenmaßnahmen. Hier demonstrieren Mitglieder einer Bürgerinitiative Anfang Oktober vorigen Jahres in Stuttgart für Diesel-Fahrverbote.

In etlichen deutschen Städten ist die Luft zu schlecht. Die EU-Kommission verlangt erneut Gegenmaßnahmen. Hier demonstrieren Mitglieder einer Bürgerinitiative Anfang Oktober vorigen Jahres in Stuttgart für Diesel-Fahrverbote.

Foto: dpa/Sina Schuldt

Im Streit mit der EU-Kommission um die schlechte Luft in Ballungsgebieten bekommt die Bundesregierung eine letzte Chance. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wurde für den 30. Januar von EU-Umweltkommissar Karmenu Vella zum Rapport bestellt.

Eigentlich hatte die EU-Kommission bereits Ende vergangenen Jahres wegen chronischen Überschreitens von EU-Grenzwerten für Stickoxide gegen Deutschland Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg einreichen wollen. Eine Sprecherin der EU-Kommission machte deutlich, warum die Kommission jetzt doch noch einmal den Versuch einer gütlichen Einigung unternimmt: „Es geht um eine schwerwiegende und dringende Angelegenheit, und wir müssen mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um Lösungen zu finden.“

Nicht nur Deutschland ist betroffen. Insgesamt hat die Kommission zehn Länder im Blick, die seit Jahren gegen die EU-Luftreinhaltungsgesetze verstoßen.

Laut einem Online-Portal verlangt die Kommission im Einladungsschreiben an Hendricks und die Fachminister der anderen neun EU-Länder, dass sie „neue verpflichtende Maßnahmen“ zur Senkung der Schadstoffbelastung in den Städten vorlegen, „die bislang noch nicht kommuniziert wurden“. Das heißt: Es dürfte nicht ausreichen, wenn Hendricks die Ergebnisse der verschiedenen Dieselgipfel vorträgt, bei denen Hilfen in Milliardenhöhe an Stuttgart und die anderen betroffenen Städte zum Einstieg in die E-Mobilität beschlossen wurden. Offensichtlich verlangt Brüssel drastische Schritte, wie etwa Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge, um sicherzustellen, dass die Grenzwerte endlich eingehalten werden.

Das Bundesumweltministerium hält sich bei der Frage nach neuen Maßnahmen bedeckt. Ein Ministeriumssprecher sagte gegenüber unserer Zeitung: „Wir werden in Brüssel unter anderem über unser neues Sofortprogramm Saubere Luft berichten, verbunden mit der Hoffnung, dass die Kommission diese Bemühungen anerkennt.“

 Sie muss in Brüssel zum Rapport antreten: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD).

Sie muss in Brüssel zum Rapport antreten: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD).

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Seit Jahren rügt die Kommission Verstöße und fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, Gegen-Maßnahmen zu ergreifen. Da immer noch an vielen Tagen im Jahr die Grenzwerte überschritten werden, hat die Kommission Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Auch gegen Frankreich, Spanien, Italien und das Vereinigte Königreich laufen Verfahren.

In Deutschland sind 28 Städte und Regionen betroffen – darunter Stuttgart, Berlin, Düsseldorf sowie die Region Worms, Frankenthal und Ludwigshafen. Ein Verfahren vor dem EuGH würde Jahre dauern. Bei einer Verurteilung müsste die Bundesregierung nicht nur für Abhilfe sorgen, es würden auch Strafzahlungen in unbekannter Höhe fällig.

In Sachen Luftqualität steht die Bundesregierung noch an einer anderen Front unter Druck: Am 22. Februar verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über Klagen der DUH auf Fahrverbote in den betroffenen Städten. Dabei geht es um die Frage, ob die Kommunen Fahrverbote erlassen können, ohne dass es dafür die entsprechenden Bundesregelungen gibt. Es ist möglich, dass die Richter in Leipzig am 22. Februar bereits das Urteil verkünden.

Vor allem der Verkehr wird für die hohen Stickstoffoxid-Konzentrationen in den Innenstädten verantwortlich gemacht. Es heißt, 40 Prozent des Stickoxid-Ausstoßes gehen auf das Konto des Verkehrs. 80 Prozent der Stickoxid-Emissionen durch den Verkehr werden Diesel-Fahrzeugen zugeschrieben. Zu hohe Stickoxid-Konzentrationen sollen der Grund dafür sein, dass jedes Jahr rund 70 000 Menschen EU-weit vorzeitig sterben. Das ist ein Vielfaches der Opfer von tödlichen Verkehrsunfällen.

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