NSU-Prozess Lebenslang! Aber Experten glauben nicht an das Ende des Rechtsterrors

Trier · Das Gericht verhängt im NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre Helfer harte Strafen. Politik und Justiz mahnen zur Wachsamkeit gegenüber rassistischen Tendenzen.

 Lebenslange Haft für Beate Zschäpe: Nach über fünf Jahren und fast 440 Prozesstagen sprach das Oberlandesgericht München die Urteile im NSU-Prozess. Die rechte Terrorgruppe hatte zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Menschen in Deutschland ermordet.

Lebenslange Haft für Beate Zschäpe: Nach über fünf Jahren und fast 440 Prozesstagen sprach das Oberlandesgericht München die Urteile im NSU-Prozess. Die rechte Terrorgruppe hatte zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Menschen in Deutschland ermordet.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Nach dem Urteil im Prozess gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) warnt Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) davor, an ein Ende des rechten Terrors in Deutschland zu glauben. Traurigster Beleg hierfür seien viele Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in den letzten Jahren, sagte die Schweicherin in Berlin. Extremismusforscher Hajo Funke rechnet mit einer Zunahme rechter Gewalt: „Aus der Mischung von rechtsextremen, gewaltbereiten Strukturen und einer Entfesselung rechtspopulistischer Ressentiments ist in den 90er Jahren auch der NSU hervorgegangen“, sagte er unserer Zeitung.

Im Land haben sich im vergangenen Jahr nach Angaben des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzchefs Elmar May keine Hinweise auf mögliche rechtsterroristische Ansätze ergeben. Die Erfahrung zeige aber, dass besondere Wachsamkeit vor allem dann geboten sei, wenn innergesellschaftliche Konflikte und Krisen an Dynamik gewinnen.

Nach Angaben des jüngsten Verfassungsschutzberichtes zählt die Behörde im Land konstant 650 Rechtsextreme, von denen 150 als gewaltbereit eingestuft werden. Im Raum Trier gab es im vergangenen Jahr 109 rechtsradikal motivierte Straftaten, von denen die große Mehrheit Hakenkreuzschmierereien und Volksverhetzungen waren, teilt die Polizei mit. In 17 Fällen kam es in den vergangenen beiden Jahren zu Gewalt, meist zu Körperverletzung. Der schlimmste Akt rechter Gewalt in der Region war zuletzt die im Oktober 2015 versuchte Brandstiftung an einem Haus in Traben-Trarbach, in dem Flüchtlinge wohnten. Ihnen passierte nichts, ein Tatverdächtiger ist bis heute nicht gefasst.

In München endete am Mittwoch nach fast 440 Verhandlungstagen einer der längsten und aufwendigsten Indizienprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte. Das Oberlandesgericht verurteilte dabei Beate Zschäpe als vollwertiges NSU-Mitglied wegen zehnfachen Mordes zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe. Der Mitangeklagte Ralf Wohlleben wurde als NSU-Waffenbeschaffer zu zehn Jahren Haft verurteilt. Auch weitere Mitangeklagte erhielten Haftstrafen. Mehrere Verteidiger kündigten Revision an.

Der NSU war 2011 aufgeflogen. Zschäpe hatte fast 14 Jahre lang mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. In dieser Zeit ermordeten die beiden Männer neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. Zudem begingen sie zwei Sprengstoffanschläge mit vielen Verletzten und mehr als ein Dutzend Raubüberfälle. Über fünf Jahre war eine der zentralen Fragen im Prozess, ob Zschäpe als Mittäterin verurteilt werden kann, weil es keine Beweise gibt, dass sie an einem der Tatorte war.

Das Auffliegen hatte ein politisches Beben in Deutschland ausgelöst. Jahrelang hatten die Ermittler zuvor falsche Fährten verfolgt, den rechtsextremen Hintergrund der Taten verkannt, engste Familienangehörige als Verdächtige behandelt und drangsaliert. Menschenrechtsorganisationen forderten eine weitere Aufarbeitung des NSU-Umfelds und die Rolle der Sicherheitsbehörden. Barley sagte, Polizei und Justiz seien wachsamer geworden.

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