Wirtschaft Hoffen auf den Haribo-Effekt

Trier/Wittlich/Mainz · In der Region erhöhen klamme Kommunen – wenn auch moderater als früher – weiter die Gewerbesteuer. Kammern kritisieren den Weg.

 Süßigkeiten machen einem Ort in Rheinland-Pfalz besondere Laune: Haribo produziert in Grafschaft. Kammern führen das auch auf niedrige Gewerbesteuern zurück .  Foto: dpa

Süßigkeiten machen einem Ort in Rheinland-Pfalz besondere Laune: Haribo produziert in Grafschaft. Kammern führen das auch auf niedrige Gewerbesteuern zurück . Foto: dpa

Foto: dpa/A3276 Martin Gerten, dpa (dpa)

Haribo macht Grafschaft froh: Es war ein gewaltiger Coup, als der milliardenschwere Süßigkeiten-Konzern im vergangenen Jahr von Bonn in den rheinland-pfälzischen 11 000-Einwohner-Ort umgezogen ist. Dem Landkreis Ahrweiler bringt das prominente Unternehmen neue Arbeitsplätze – und Einnahmen. Geht es nach den Industrie- und Handelskammern (IHK), ist die Geschichte ein Vorbild für das ganze Land. Haribo fühlte sich schließlich angelockt von Gewerbesteuersätzen, die in Grafschaft niedriger liegen als in Bonn, glauben sie.

Geht es um den Wettbewerb in Rheinland-Pfalz, warnen die Experten dagegen vor steigenden Hebesätzen in Kommunen, die Unternehmer abschreckten. 2018 schnellten Kosten für die Wirtschaft in der Region herauf – wenn auch moderater als in den Jahren zuvor, sagt Reinhard Neises, Experte für Unternehmenssteuer der IHK Trier.

Danach haben im vergangenen Jahr nur 80 von 555 Städten und Gemeinden die Gewerbesteuer und Grundsteuer B erhöht, die Unternehmer genauso wie Hauseigentümer zahlen müssen und bei der die Kammer gespannt die Reform erwartet. Von 2011 bis 2014 seien jährlich noch in rund 70 Prozent der Kommunen die Realsteuern gestiegen, erläutert Neises.

„Die massive Erhöhung der Steuersätze ist dank der guten Wirtschaftslage abgeebbt, dennoch bleiben wir wachsam“, meint Arne Rössel, Sprecher der IHK-Arbeitsgemeinschaft in Rheinland-Pfalz. Bei einem konjunkturellen Abschwung könnten verschuldete Kommunen erneut an Hebesätzen drehen, um Einnahmen zu erhöhen, meint er.

Ohnehin bleiben Schulden – trotz blühender Wirtschaft – ein Problem im Land: Jüngste Zahlen des Statistischen Landesamtes zeigen: Ende 2017 waren rheinland-pfälzische Komunen mit 4451 Euro pro Einwohner verschuldet und damit um 26,5 Prozent höher als der Schnitt aller Flächenländer. Höhere Schuldenberge drückten nur das Saarland, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Unter den sechs deutschlandweit am höchsten verschuldeten Städten stehen sechs Rheinland-Pfälzer, darunter Trier mit 8943 Euro pro Einwohner.

Arne Rössel sieht auch Bund und Land gefordert, Schuldenberge abzutragen. Kommunen seien immer mehr Aufgaben übertragen worden, bei denen es an einem finanziellen Ausgleich fehle – wie bei Kitas und Jugendhilfe. Das rheinland-pfälzische Finanzministerium verweist wiederum darauf, dass die Hilfe für Kommunen im Jahr 2020 bei 6,1 Milliarden Euro liegen wird, nahezu ein Drittel des Haushalts. 18 Millionen Euro stellt das Land jährlich bereit, um verschuldete Kommunen vor dem Risiko steigender Zinsen zu schützen.

Zugleich ist das SPD-geführte Ministerium bei den Hebesätzen anderer Meinung als die Kammern. Städte und Gemeinden schöpften Einnahmemöglichkeiten nicht ausreichend aus, sagt eine Ministeriumssprecherin: „Seit Jahrzehnten erheben sie Grund- und Gewerbesteuern mit zum Teil deutlich niedrigeren Hebesätzen, als es der Durchschnitt der Kommunen der anderen Flächenländer tut.“

Arne Rössel, Ex-Geschäftsführer der IHK Trier, hofft dagegen auf mehr Steuerwettbewerb der Kommunen. „Das ist ein Standortwettbewerb und lockt Firmen an“, sagt er. Grafschaft spürte den Haribo-Effekt bereits. Seit das Unternehmen dort angesiedelt ist, verdoppelten sich die Gewerbesteuereinnahmen von sechs auf zwölf Millionen Euro.

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