Leseabend Beziehungen mit und ohne Katastrophen

Trier · Die Trierer Autorengruppe Scriptum präsentierte einen Leseabend in der Tufa. Die Schriftsteller lesen dabei Kurzgeschichten über Zwischenmenschliches.

 Christoph Riemenschneider liest als Gastautor beim Leseabend der Autorengruppe Scriptum.

Christoph Riemenschneider liest als Gastautor beim Leseabend der Autorengruppe Scriptum.

Foto: Eva-Maria Reuther

Eine neue, alles vernichtende Eiszeit droht in Claudia Nelges Kurzgeschichte „Eis“. Ihre düstere Zukunftsvision tödlicher Kälte, die man durchaus als Metapher für eine zunehmend kalte Gesellschaft verstehen kann, präsentierte die Triererin am Sonntag bei der traditionellen Lesung der Autorengruppe Scriptum in der Tufa.

Die im Jahr 2000 gegründete Gruppe, die inzwischen eigene Erzählbände veröffentlicht hat, arbeitet ebenso nachhaltig wie erfolgreich. Es gebe in dieser Zeit große Probleme, sagte zur Eröffnung der Lesung Gisela Siepmann-Weber als Sprecherin der Gruppe. „Darauf müssen Autoren reagieren.“ Dass sie auch Gehör finden, belegte der bis auf den letzten Platz besetzte kleine Saal des Kulturzentrums.

Heiteres, Melancholisches, allzu Menschliches, vor allem aber Bedenkenswertes kam an diesem Abend zur Sprache, der „Beziehungen und andere Katastrophen“ zum Thema hatte. Ein Titel, der unüberhörbar eine Referenz an den turbulenten Film „Liebe und andere Katastrophen“ war.

Nicht alle Beziehungen endeten an diesem Leseabend katastrophal. Dass es bisweilen zum Erfolg führt, einfach mal die Zuständigkeiten umzukehren, zeigte Peter Spurk in seiner witzig-pfiffigen Geschichte „Anleitung zum Goldfischangeln“, ein Kabinettstück kluger Menschenkenntnis. Als latente Katastrophe hinter der ehelichen Fassade erwies sich dagegen Gabriele Belkers Geschichte „Alles Theater“. Von einem misslungenen Aufbruch erzählte Ursula Ruth Weber in „Das, was bleibt“.

Die Notwendigkeit menschlicher Nähe und Wärme selbst im Angesicht des Todes, die eingangs bereits bei Nelges zur Sprache kam, war ebenfalls Thema in Henrik Jägers Kurzgeschichte „Deine Stimme in mir“ und Albert Bisenius’ Erzählung „Eine ganz kurze Beziehung“. Den originellsten und hintergründigsten Text steuerte Klaus Gottheimer bei. Seine humorigen „Falschparker und andere Untote“, die als Adressaten nicht zustellbarer Briefe, die Vorstellung und von dort die Wohnung des Ich-Erzählers in Besitz nehmen, könnten einer weniger schwarzen Erzählung Franz Kafkas entstammen. Mit tragischen Verstrickungen und häuslicher Gewalt setzte sich Gisela Siepmann-Weber in ihrer berührenden Erzählung „Einmal zu viel“ auseinander.

Als Gast unter den Kurzgeschichten-Autoren gab Christoph Riemenschneider eine Kostprobe seines neuesten, noch nicht fertiggestellten Romans. Der Musiker bleibt diesmal im Milieu. Um einen in die Jahre gekommenen Generalmusikdirektor mit aristokratischer Gattin und einer dringend renovierungsbedürftigen Ehe geht es im neuen Werk. In der Trierer Episode, deren Personal etwas von Jacques Brels „Vieux amants“ hat, erinnerte sich der schlaflose Maestro beim Klang von Vogelgezwitscher an seine einstigen Frühlingsgefühle und die junge Liebe des Paars. Einmal mehr zeigte sich Riemenschneiders Humor und seine genaue Beobachtungsgabe.

Ein eindrücklicher Abend. Nicht nur, dass es Respekt verdient, wie redlich die Autoren in ihren Texten fraglos auch eigene Befindlichkeiten offenbaren. Treffend und mit durchaus liebevollem Blick fokussieren sie in ihren Geschichten die Verwerfungen des Lebens ebenso wie seine kleinen Grotesken. Bleibt noch zu erwähnen, dass Klaus Gottheimer, Henrik Jäger und Albert Bisenius der Lesung neben der Sprache auch musikalisch am Klavier Struktur verliehen.

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