Kartext Wer braucht Brauchtum?

Es ist Frühling. Die Welt erblüht, die Hormone spielen etwas verrückt – je jünger der Mensch, desto mehr. Das ist für sich genommen nichts Schlimmes, eher sogar schön. Wie jede Jahreszeit hat auch der Frühling seine Bräuche: Was an Weihnachten – also im Winter – Engel, Kerzen und geschmückte Bäume sind, sind an Karneval Umzüge im Kostüm und im Frühjahr bunte Eier, Hasen und auch Ausflüge in der Nacht zum 1. Mai, der Hexennacht.

Dazu gehören Streiche, die durchaus handfester Natur sein können. In hergebrachter Form wurden meist Dinge an andere Orte verfrachtet, so dass diese am nächsten Morgen vom Eigentümer gesucht werden mussten – ebenso, als hätten Hexen die Sachen weggezaubert. Nun bringt die Hexennacht massive Hormon-Überschüsse, die sich offenbar kaum durch Vernunft zügeln lassen. Noch schlimmer wird die Lage dadurch, dass jene walpurgisnächtlichen Ausflüge meist dem übermäßigen Konsum von Alkohol dienen, um dann in die Phase der Streiche überzugehen. Zu diesem Zeitpunkt kommt manchen das Bier und das Testosteron schon aus den Ohren heraus. Genau dann geraten Streiche oft nicht mehr lustig, sondern nur noch zerstörerisch und nicht selten auch gefährlich. So wichtig Bräuche für den kulturellen Zusammenhalt sind, so wenig braucht man Idioten, die in der Hexennacht wüten.  

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