Aufgeschlagen — Neue Bücher: „Der nasse Tod“ Ein scheiternder Schriftsteller

Einen alternden Autor treibt die Frage um, wie sein Vater mehr als 60 Jahre zuvor ums Leben kommen konnte. Es war 1945, in Japan ging der Krieg zu Ende, der Vater hatte sich einer Gruppe aufständischer Militärs angeschlossen.

 Literaturkolume 0801

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Foto: S. Fischer Verlag

Als er Verfolger witterte, bestieg er im Sturm ein Boot und kam ums Leben. Das war‘s dann schon fast mit den Fakten in diesem 430 Seiten starken jüngsten Werk des japanischen Literaturnobelpreisträgers Kenzaburo Oe, dessen Untertitel „Roman über meinen Vater“ den Leser glatt auf den Holzweg führt. Das wenige, das man über den Vater erfährt, muss man sich herausdestillieren aus einem Wust an Gedanken, Träumen, historischen Anspielungen und Fantasien des Sohnes, des Schriftstellers Kogito Choko, einem Alter Ego des Autors Oe. Von einem Roman, mit irgendwie stringenter Handlung, Charakteren und klarer Form kann kaum die Rede sein.

Im Mittelpunkt steht der Schriftsteller, der versucht, sein finales Werk „Der nasse Tod“ als Auseinandersetzung mit seinem toten Vater zu schreiben. Von Anfang an wirkt er passiv und fremdbestimmt, bevormundet vor allem durch die Schwester, und seine eigenen Bücher scheinen Fremde besser zu kennen als er selbst. Und das soll ein großer Schriftsteller sein?, fragt man sich. Es ist ein Autor, der scheitert, der sich verhakt hat an einem Projekt, das vielleicht zu groß ist für ihn und wo er sich selbst im Wege steht. So mühsam wie der Schriftsteller im Buch hat es der Leser mit dieser Lektüre. Die Sprache karg, die „Handlung“ verpackt in lange Dialoge, der Ausdruck der Figuren vielfach maniriert. Da braucht‘s einen langen Atem und ein großes Interesse an Japans Geistesgeschichte im 20. Jahrhundert, um bis zur letzten Seite dranzubleiben.

Anne Heucher

Kenzaburo Oe, Der Nasse Tod, Roman über meinen Vater, Aus dem Japanischen von Nora Bierich, S. Fischer Verlag 2018, 431 Seiten, 25 Euro.

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