Weinwirtschaft Klasse statt Masse

Bernkastel-Kues/Trier · Wenn  in diesen Tagen die Moselwinzer ihre Rieslingtrauben ernten, dürfen sie sich  erneut auf ein hervorragendes Weinjahr freuen. Der 2018er wird sich in die Serie von Spitzenjahrgängen der  vergangenen  drei  Jahrzehnte einreihen.

   

Weinwirtschaft: Klasse statt Masse
Foto: TV/Winfried Simon

Das letzte richtig schlechte Weinjahr war 1987. Die Mostgewichte lagen beim Riesling bei der Lese zwischen 53 und 65 Grad Oechsle. An Spät- oder gar Auslesen war überhaupt nicht zu denken, die Winzer waren schon froh, wenn sie einen anständigen Qualitätswein ernten konnten.

Die Klimaerwärmung ist nach Angaben des DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, Bad Kreuznach, der wesentliche Grund für die seit 1988 ununterbrochene Serie von guten Weinjahren. Der Termin der Rebblüte hat sich in den vergangenen Jahren deutlich nach vorne geschoben. Damit haben die Trauben länger Zeit zu reifen. Das heißt, sie können mehr Zucker und wertvolle Extraktstoffe einlagern.

Die Qualität ist besser geworden, und das hängt aber nicht nur mit der Klimaerwärmung  zusammen. Das Anbaugebiet hat sich regelrecht gesund geschrumpft. Ein entscheidender Auslöser waren die Jahre 1982 bis 1985. 1982 wurden auf einer Rebfläche von rund 11 500 Hektar an der Mosel 2,3 Millionen Hektoliter Weinmost geerntet. Ein Jahr später waren es 1,8 Millionen Hektoliter. Die Keller liefen über, die Erzeugerpreise rutschten ins Bodenlose.

Und es wurde noch schlimmer: 1985 stürzte der aus Österreich importierte Glykolskandal die gesamte deutsche Weinwirtschaft in eine schwere Krise.

Über 30 Jahre später beträgt die Erntemenge an Mosel, Saar und Ruwer im Schnitt deutlich unter einer Million Hektoliter. 2016 waren es nur knapp 700 000 Hektoliter, und 2017 ernteten die Winzer gar nur 533 000 Hektoliter. In diesem Jahr dürfte die Erntemenge deutlich höher liegen. Darauf freuen sich vor allem die selbstvermarktenden Winzer, denn sie haben kaum Absatzsorgen. Moselwein hat wieder ein gutes Image. Moselwein ist „in“, wie der Blick in die vielen Gourmet- und Weinzeitschriften zeigt.

Weniger Menge, besserer Wein – das gilt immer noch. Die Hektarerträge sind deutlich geschrumpft, weil die Winzer mehr auf Qualität setzen. Das fängt beim Rebschnitt an und hört bei der Ernte auf, wenn viele Winzer die Trauben ganz selektiv lesen.

Die Mosel mit Saar und Ruwer ist mit aktuell 8760 Hektar ein kleines Weinbaugebiet. Ende der 1980er Jahre betrug die Rebfläche noch 12 000 Hektar. Ein weiterer starker Rückgang der Rebfläche ist in den kommenden Jahren nicht zu erwarten.

Die Genesung der Mosel hat noch einen weiteren Grund: Die Jahre, als die Winzer auf neue Züchtungen wie Bacchus, Ortega oder Optima setzten, sind vorbei. Diese einstigen Modesorten versprachen große Erträge und hohe Mostgewichte, sprich Spät- und Auslesen. Diese Sorten spielen an der Mosel kaum noch eine Rolle. Der Riesling behauptet sich. Alles andere wäre auch verhängnisvoll für die Mosel.

Seit 1988 darf auch Rotwein an der Mosel angebaut werden. Zwei Sorten haben sich durchgesetzt: Der Dornfelder, der hohe Erträge bringt, und der edlere Spätburgunder. 9,4 Prozent der Rebfläche des Weinbaugebietes sind inzwischen mit roten Sorten bestockt, der Spätburgunder führt mit 4,6 Prozent, gefolgt vom Dornfelder mit 3,3 Prozent.

Der Riesling bleibt mit 61 Prozent der Rebfläche die wichtigste Rebsorte. Und das muss so bleiben. Die Top-Weingüter erzeugen Spitzen-Rieslinge, die so bekannt und teuer sind  wie die ganz großen Bordeaux-Gewächse. Keine Rebsorte ist so vielschichtig, so interessant. Und für Mosel, Saar und Ruwer gilt: Die Steillagen-Rieslinge sind einzigartig, sie gibt es nirgendwo anders auf der ganzen Welt. Sie lassen sich nicht imitieren.

Die Mosel ist weltweit das Riesling-Anbaugebiet schlechthin. Mitte der 80er Jahre, als noch viele Erzeuger auf Massenträger oder zuckersüße und parfümartige Neuzüchtungen setzten und die Mosel einen schlechten Ruf hatte, sagte ein weitblickender Winzer: „Nur mit dem Steillagen-Riesling kann die Mosel überleben.“

In den vergangenen Jahren hat ferner ein Begriff die Runde gemacht, der wie kein anderer ausdrückt, was den Riesling ausmacht: Terroir. Terroir hat etwas mit Ursprünglichkeit, Unverwechselbarkeit, Wein- und Lagenkultur, Boden und Klima zu tun – ein Begriff, der den unverwechselbaren Charakter eines Weines beschreibt. Weine, die auf unterschiedlichen Böden gewachsen sind und Weine, die die Handschrift des Winzers erkennen lassen.

 Traubenlese an der Mosel

Traubenlese an der Mosel

Foto: Winfried Simon
 Goldgelb schimmern die Rieslingtrauben in diesem Jahr.

Goldgelb schimmern die Rieslingtrauben in diesem Jahr.

Foto: Winfried Simon
 Traubenlese an der Mosel

Traubenlese an der Mosel

Foto: Winfried Simon
  Von der Rebe in den Eimer, vom Eimer in die Bütte, die zum Keltern ins Weingut transportiert wird.

Von der Rebe in den Eimer, vom Eimer in die Bütte, die zum Keltern ins Weingut transportiert wird.

Foto: TV/Roland Morgen

Eine neue, selbstkritische Winzergeneration setzt konsequent auf Qualität, Tradition und moderne Kellertechnik gehen Hand in Hand, und Initiativen wie zum Beispiel „Der beste Schoppen“ bieten Winzern und Gastronomen Anreize, sich ständig zu verbessern.

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